Vor 60 Jahren: Politische Umbrüche führten zur Gründung acht neuer Sprachredaktionen | Pressestelle der DW | DW | 01.08.2022
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Presse

Vor 60 Jahren: Politische Umbrüche führten zur Gründung acht neuer Sprachredaktionen

Im August 1962 baute die DW ihr Programmangebot mit Redaktionen in acht neuen Sprachen deutlich aus: Russisch, Polnisch, Kroatisch, Serbisch, Ungarisch, Tschechisch, Slowakisch und Französisch für Afrika.

DW-Redaktion Afrika-Französisch

Eine frühe Aufnahme aus der DW Redaktion Französisch für Afrika.

"60 Jahre nach ihrer Gründung sind die DW-Angebote für die Menschen in Mittel- und Südosteuropa wichtiger denn je. In einem medialen Umfeld, das in vielen Ländern immer stärker staatlich reglementiert wird und in dem die Menschen zusätzlich durch gezielte Desinformation und Fake News verunsichert werden, bieten wir freie und verlässliche Informationen und tragen so zur unabhängigen Orientierung der Menschen bei", sagt Adelheid Feilcke, Director of Programs for Europe, zur wechselvollen Geschichte und zur Bedeutung der aktuell zehn Europa-Sprachen.

60 Jahre DW Polnisch: "Die Stimme des Friedens und der Versöhnung aus Deutschland"

Wenn man Redakteur Andreas Krause nach dem emotionalsten Moment seiner Karriere bei DW Polnisch fragt, zittert seine Stimme ein wenig. "1994 kamen ehemalige polnische Zwangsarbeiter in die Redaktion. Sie sagten zu uns: 'Wir sind Ihnen so dankbar, dass Sie die Stimme des Friedens und der Versöhnung aus Deutschland sind'", erinnert sich der 76-Jährige. Krause war 1962 Gymnasiast im oberschlesischen Gliwice (Gleiwitz), als er zum ersten Mal eine DW-Sendung auf Polnisch über einen Kurzwellensender hörte. Er freute sich, dass neben Radio Free Europe und BBC auch ein westdeutscher Sender Radioformate für Polen produzierte.

DW-Polnisch-Redaktion

Die DW Polnisch-Redaktion 2019.

Die ersten Redakteurinnen und Redakteure von DW Polnisch kamen aus sehr unterschiedlichen Berufsgruppen. Professionelle Radiojournalisten waren damals lediglich die Leiterin Maritta Weber und ihr Stellvertreter Alexander Borski, der vor dem Krieg Autor von Sendungen für Radio Lwów (heute Lviv in der Ukraine) war. Die anderen Mitarbeitenden waren teilweise deutschstämmige Flüchtlinge aus Polen.

Sehr bewegte Zeiten

Das Angebot in polnischer Sprache wurde systematisch erweitert. 1962 bot die DW 30 Minuten täglich, in den 1970ern bereits zwei Stunden. Es waren sehr bewegte Zeiten im deutsch-polnischen Verhältnis. Bundeskanzler Willy Brandt unterzeichnete die Ostverträge und erkannte die Oder-Neiße-Grenze an. Das sorgte in der Redaktion für einen Konflikt: Während die Redakteur*innen die Politik der Bundesregierung unterstützten, war Hauptabteilungsleiter Botho Kirsch, selbst ein Vertriebener, strikt dagegen. "Die Bundesregierung fand einen Ausweg aus diesem Dilemma", erinnert sich Andreas Krause, indem die Polnisch-Redaktion aus der DW herausgelöst wurde und 1977 mit der polnischsprachigen Redaktion des Deutschlandfunks (DLF) fusionierte, denn auch dieser sendete seit 1963 auf Polnisch. "Die Philosophie des DLF-Programms war anders", erinnert sich Krause. "Der DLF war weniger antikommunistisch eingestellt und hat weniger über Polen berichtet, dafür mehr über Deutschland."

Verständigung unter neuen Vorzeichen

1993 kam es erneut zu einer Programmreform, die DW übernahm die Polnisch-Redaktion des DLF. Der Fall des Eisernen Vorhangs ermöglichte neue Formen der Zusammenarbeit, zum ersten Mal wurden Kontakte zu polnischen Medien geknüpft. 1999 gab es eine erste TV-Kooperation mit einem polnischen Sender. Heute verzeichnet DW Polnisch monatliche Klickzahlen im zweistelligen Millionenbereich. Marketing and Audience Insights zufolge finden viele Nutzende über Online-Kooperationen auf die Polnisch-sprachige Webseite. Zwischen Januar und Juni 2022 waren es zum Beispiel durchschnittlich 16,6 Millionen Abrufe (gesamt: 20,7 Millionen).

DW-Polnisch-Redaktion

Bartosz Dudek, Bereichsleiter von Programs for Europe/Polish Service

Zum Jubiläum denkt das Team an ehemalige Mitarbeitende. Die Programme der DW seien bedeutsam und zugleich unbequem für das kommunistische Regime in Polen gewesen, so Bartosz Dudek, seit 2009 Bereichsleiter von Programs for Europe/Polish Service:

"Der Geheimdienst hatte in der Redaktion mindestens einen Agenten. Es gibt Tausende Seiten von Berichten über Interna der Redaktion in polnischen Geheimdienst-Archiven."

Das Schlimmste, was Dudek in den Unterlagen gefunden hat, war ein offizieller Vermerk über eine Hörerin in Polen, die zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil sie das DW-Programm verfolgt hatte.

Bartosz Dudek: "Polen und Deutschland sind heute längst Partner in der NATO und in der EU. Trotzdem sind die Perspektiven auf historische und aktuelle Themen immer wieder Anlass für Irritationen und Missverständnisse zwischen den Nachbarn. DW Polnisch informiert seit 60 Jahren, erläutert und ordnet die politischen Weltläufe ein. Das DW-Angebot aus Deutschland bleibt somit ein wichtiger Brückenschlag im bilateralen Verhältnis mit Polen."

DW Ungarisch: Fast ein Jubiläum

Auf eine besondere Entwicklung blickt die Ungarisch-Redaktion zurück. Von 1962 bis zur Schließung 1977 strahlte sie ausschließlich Radio-Angebote aus. 1993 nahm DW Ungarisch wieder sein Programm auf, sechs Jahre lang. Einen dritten Neustart gab es im April 2021 mit journalistischen Inhalten für eine junge Zielgruppe zwischen 20 und 35 Jahren.

Intendant Peter Limbourg sagte im April 2021: "Die Zeit ist reif für DW Magyar. Viele Medien in Mittel- und Osteuropa, die kritisch über ihre Regierungen berichteten, werden auf unterschiedliche Weise in ihrer Arbeit behindert oder müssen aufgeben. Mit unseren Programmen reagieren wir auf den steigenden Informationsbedarf in der Bevölkerung, aber auch auf die zunehmende Einschränkung der Medienfreiheit und die Risiken, denen Journalistinnen und Journalisten ausgesetzt sind." Mit einem YouTube-Kanal mit rund 15 Video-Berichten und -Reportagen, darunter mehrere Ausgaben der Formate Europeo und Untold Stories, nahm DW Ungarisch den Sendebetrieb 2021 auf.

Angesichts des Kriegs im Nachbarland Ukraine und der zunehmenden Einschränkung der Pressefreiheit in Ungarn hat die DW ihr Ungarisch-Angebot kürzlich um einen Facebook-Kanal erweitert und ist auf der meistgenutzten Social-Media-Plattform in Ungarn vertreten.

Dora Diseri | DW Kommentatorin

Dóra Diseri, Head of DW Magyar

Mit dem neuen Facebook-Auftritt bedient die DW das Informationsbedürfnis junger, politisch interessierter Ungar*innen, die ihre Ansichten in den nationalen Medien nicht mehr repräsentiert sehen. Zudem ist das Interesse an Videos über den Ukraine-Krieg sehr hoch.

"Angesichts der vielen Restriktionen, denen Medien in Ungarn ausgesetzt sind und des Kriegs in unmittelbarer Nachbarschaft möchten wir den freiheitlichen Diskurs und die Pluralität in der Meinungsbildung für Ungarinnen und Ungarn stärken", so Dóra Diseri, Head of DW Magyar.

Die Redaktion kooperiert für das Magazin Europeo mit dem TV-Partner ATV, dem einzigen verbliebenen unabhängigen Nachrichtenkanal in Ungarn.

60 Jahre DW Serbisch und Kroatisch: Mediales Bindeglied zwischen Ethnien

Fünf Redaktionen bieten heute im Internet Informationen in den Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens. Kroatisch und Serbisch machten 1962 den Auftakt. Slowenisch, das etwas später über Kurzwelle auf Sendung ging, wurde 2000 eingestellt. Mazedonisch, seit 1980 DW-Sendesprache, ist noch immer eine eigenständige Redaktion. Die ebenfalls am 1. August 1962 gestarteten Radio-Angebote auf Tschechisch und Slowakisch wurden Mitte der 1990er-Jahre eingestellt. Hintergrund war die stark nachlassende Nutzung in der Zielregion.

Nach dem Zerfall Jugoslawiens in der 1990er-Jahren kamen Bosnisch und Albanisch hinzu. Der Krieg auf dem Balkan fand seinen Ausdruck auch in einer zeitweise gespannten Atmosphäre innerhalb der Redaktionen – ein Balanceakt für die damalige Geschäftsleitung der DW.

Rund 30 Jahre nach Kriegsende arbeiten heute serbische, kroatische und bosnische Kolleginnen und Kollegen gemeinsam in einer Redaktion. Trotz aller Differenzen in der Beurteilung der Vergangenheit und Gegenwart hat sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt. "Wir kennen und schätzen uns und klären Meinungsverschiedenheiten auf professionelle Art", sagt Volker Wagener, Head of Programs for Europe/Bosnian, Croatian and Serbian Service. Maßstab dafür sei der DW-Auftrag, "hinter dem wir alle stehen".

60 Jahre Französisch für Afrika: Junge Zielgruppen im Fokus

French for Africa lieferte 1962 zunächst täglich fünf Minuten Radio-Nachrichten. Heute erreichen die multimedialen Angebote zunehmend junge Leute weit über die Zielregion Westafrika hinaus.

Die DW sei ihm so wichtig wie das tägliche Brot – dieses Kompliment machte Geschäftsmann Valérie Luzingu aus Kinshasa kürzlich der Redaktion French for Africa. Für seinen Job sei es wichtig, sich über die Welt zu informieren, dazu nutze er die Angebote der DW-Redaktion.

Rund 20 frankophone Länder bedient das Programm. Darüber hinaus können auch Hörer*innen und User*innen aus anderen Regionen die Sendungen hören und die Social-Media-Kanäle nutzen. Mit zehn Millionen wöchentlichen Nutzenden rangiert Französisch auf Platz 6 der meistgenutzten DW-Sprachen.

Der Alltag in der Redaktion ist bewegt: In der jüngeren Vergangenheit gab es Militärputsche in vier frankophonen Ländern des Kontinents. In Mali befürwortet aktuell eine Mehrheit den Kurs der Militärregierung. Da braucht es viel journalistisches Fingerspitzengefühl und Austausch innerhalb der Redaktion, um DW-Werte zu vermitteln, ohne Nutzende zu verlieren. Dass die rund 20 Mitarbeitenden in Bonn aus 14 Nationen kommen, diverse afrikanische Sprachen sprechen und unterschiedliche Perspektiven einbringen, ist hierfür von enormem Vorteil.

DW-Redaktion Afrika-Französisch

Die DW-Redaktion Französisch für Afrika im Jahr 2018.

Das Team wird von Korrespondent*innen in Afrika und vielen weiteren Ländern unterstützt. Gerade in politischen Umbruchsituationen beziehungsweise in Putsch-Situationen ist das für die Kolleg*innen vor Ort oft riskant: Anrufe von Regierungsvertretern, anonyme Drohungen oder Shitstorms in den Sozialen Medien – die Liste der Einschüchterungen ist lang. Doch der gute Ruf der DW schützt die Kolleg*innen auch.

"Die DW bekommt aus dem frankophonen Afrika sehr viel Anerkennung und positive Resonanz", sagt Claus Stäcker, Director of Programs for Africa. "Unsere Radioangebote haben 60 Jahre lang durch viele Krisen hindurch verlässliche und glaubwürdige Informationen geliefert. Deutschlands Stimme wird von unserem Publikum als unvoreingenommen, vermittelnd und konstruktiv geschätzt."

Aktuelle Formate sprechen vor allem junge Zielgruppen an: Nous, les 77 Pour cent oder #PasSansElles von Jugend-Reporterinnen. Das schätzt auch Sevan Ibrahim-Sauer, Head of Distribution Africa: "Die DW ist im frankophonen Afrika über diese unglaublichen sechs Jahrzehnte hinweg fest in der Region verankert und hat sich doch immer wieder verändert. Von der Voix d'Allemagne zu DW Afrique – ein guter Weg. Wir gratulieren auch im Namen unserer über 200 Partner!"

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EINSCHRÄNKUNG DW Personenfoto | Corporate Communications | Carla Hagemann

Carla Hagemann

Corporate Spokesperson and Head of Corporate Communications

 

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