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Wachsender Druck auf Tech-Unternehmen

Kristie Pladson
29. Dezember 2021

Technologie hat das Leben während der Pandemie erträglicher und sicherer gemacht. Doch zu welchem Preis, fragen Regulierer mit Blick auf die großen Tech-Firmen.

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Smartphones liegen auf einem Laptop von Apple und zeigen die Logos von Amazon, Facebook und Google
Die großen Tech-Unternehmen erleben in der Pandemie einen AufschwungBild: picture alliance

Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in Unternehmen und im Privatbereich kräftig vorangetrieben. Videoanrufe und digitale Gesundheitspässe machen das Leben auf Abstand leichter. Mit der neuen Omikron-Variante wird das auch im neuen Jahr so weitergehen.

"Bei vielen dieser Technologien dachten wir zu Anfang, es handele sich nur um einen kurzfristigen Notfall", sagte Frederike Kaltheuner, Analystin für Technologiepolitik und Direktorin des European AI Fund, einer Initiative, die sich mit der Rolle der künstlichen Intelligenz in Europa befasst, gegenüber DW. "Aber wir werden 2022 merken, dass diese Technologien bleiben werden."

Ein Fest für die Big-Tech-Unternehmen, die sich über Rekordgewinne und weiteres Wachstum freuen können, während der Einzelhandel, der Dienstleistungssektor und die Industrie unter Schließungen und gerissenen Lieferketten leiden. Ob es um Hardware geht, um digitale Werbung oder selbstfahrende Autos - die Silicon-Valley Giganten wie Alphabet, Apple, Amazon, Meta und Microsoft haben während der Pandemie ihre Geschäftsbereiche kräftig ausgeweitet. Das sagt Alexander Fanta, EU-Journalist für Tech-Politik bei Netzpolitik.org, einem deutschen Nachrichtenportal, das über digitale Entwicklungen berichtet.

"Die Macht dieser Unternehmen liegt darin, dass sie so multidimensional sind. Sie beherrschen verschiedene Märkte und nutzen dann die Macht, die sie auf einem Markt gewonnen haben, um einen anderen zu dominieren", erklärt er gegenüber der DW.

Facebook unter Beschuss

Für die Regulierungsbehörden wird so noch schwieriger, den Überblick über die Aktivitäten der einzelnen Unternehmen zu behalten. Zudem stellt die Marktmacht und das riesige Vermögen dieser wenigen Tech-Unternehmen sowohl Verbraucher als auch andere Unternehmen vor viele Probleme.

Durch das breite Wachstum hat sich auch der Wettbewerb zwischen den Big-Tech-Firmen verschärft. Das zeigte sich im April, als der Internetriese Meta - früher unter dem Namen Facebook bekannt - gegen ein Software-Update von Apple wetterte, das von iPhone-Nutzern die Zustimmung zum Tracking von Werbeanzeigen verlangt. Solche Werbeanzeigen sind eine wichtige Säule des Geschäftsmodells des Social-Media-Riesen. Als Meta sein Umsatzziel für das dritte Quartal verfehlte, gab Unternehmenschef Mark Zuckerberg Apple die Schuld.

Die Whistleblowerin Frances Haugen spricht Anfang November vor dem Europäischen Parlament in Brüssel
Die Whistleblowerin Frances Haugen spricht Anfang November vor dem Europäischen Parlament in BrüsselBild: Geert Vanden Wijngaert/AP/dpa/picture alliance

In diesem Jahr stand Meta stark unter Beschuss in der Öffentlichkeit und zeigt damit, wie sehr sich das Blatt für die einstigen Tech-Lieblinge gewendet hat. Die zunehmende Kritik an den Geschäftspraktiken des Unternehmens erreichte ihren Höhepunkt, als eine  
Informantin eine Reihe umstrittener Geschäftspraktiken aufdeckte
.

Mit der Namensänderung und einem umfassenden Imagewandel hat Marc Zuckerberg versucht, die Wogen wieder zu glätten. So präsentierte er im November seine Vision des "Metaverse", einer umfassenden Online-Erfahrung, die das Unternehmen als die nächste Evolution des Internets anpreist.

Stoff für Karikaturen: Mark Zuckerberg rettet sich auf "Meta" vom untergehenden Riesenschiff Facebook, Karikatur Sergey Elkin
Stoff für Karikaturen: Mark Zuckerberg rettet sich auf "Meta" vom untergehenden Riesenschiff Facebook

Nicht jeder ist davon beeindruckt. "Es gibt kein Metaversum", sagte Kaltheuner. "Es ist nur eine nette Art, über die aktuellen Probleme zu sprechen. Wir sehen das bereits bei Veranstaltungen, die Leute benutzen den Begriff, obwohl niemand weiß, was er bedeutet. Wenn ich Facebook wäre, hätte ich mich auch umbenannt. Die Marke war wirklich nicht gut."

EU-Regulierungsbehörde bringt Gesetze auf den Weg

Dennoch wirft der Schritt die Frage auf, ob die Regulierungsbehörden mit dem visionären Denken der Big Tech mithalten können.

Schritte in diese Richtung hat die EU-Kartellwächterin Margrethe Vestager  in diesem Jahr gemacht und ihren Kampf zur Zügelung der Big Tech energisch vorangetrieben: Die Entwürfe für den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA), wichtige Gesetze, die seit Ende 2020 diskutiert werden, haben den Gesetzgebungsprozess mit überraschender Geschwindigkeit durchlaufen.

Das DMA soll sogenannte Gatekeeper-Unternehmen wie Google dazu zwingen, Wettbewerbern, die auf ihre Online-Plattformen angewiesen sind, mehr Gleichberechtigung zu bieten. Der DSA soll Regeln für Anbieter von digitalen Dienstleistungen etablieren, auch gegen illegale Inhalte auf Online-Plattformen soll damit besser vorgegangen werden können.

Brüssel I EU-Kartellwächterin und Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager
Margrethe Vestager, EU-Kartellwächterin und Vizepräsidentin der EU-Kommission will die Big-Tech zügelnBild: Olivier Matthys/dpa/picture alliance

Vestager hat die Hoffnung geäußert, dass die Entwürfe noch vor Ende der Legislaturperiode des Europäischen Parlaments im Jahr 2024 Gesetz werden könnten. "Jeder sollte begreifen, dass es besser ist, jetzt 80 Prozent zu erreichen, als 100 Prozent anzustreben und gar nichts zu erreichen", sagte Vestager auf dem FT-ETNO Tech and Politics Forum im November. "Mit anderen Worten: Die perfekte Lösung sollte nicht der Feind einer sehr, sehr guten Lösung sein."

Das Tempo ist ermutigend. Manche sagen jedoch, dass das zügige Voranschreiten auf Kosten eines echten Konsens gehe, was in Zukunft zu langwierigen Verhandlungen führen könnte.

Weltweit wird inzwischen durchgegriffen

Nicht nur in Europa wird gegen Big Tech vorgegangen. China griff in diesem Jahr in seiner Tech-Branche hart durch. Und in den USA hat die Federal Trade Commission (FTC) mit Lina Khan eine neue Chefin, die eine umfassende Kartellgesetzgebung fordert, um Big Tech besser zu regulieren.

Weniger als einen Monat, nachdem Khan in der FTC vereidigt wurde, trat Jeff Bezos als CEO von Amazon zurück. Auch Twitter-Gründer Jack Dorsey verließ den Chefsessel. Von den großen US-Tech-Unternehmen ist Zuckerberg der einzige Gründer, der noch eine aktive Führungsrolle innehat.

"Der Rückzug aus der vordersten Reihe ist bereits ein Zeichen von Nervosität", sagt Fanta von Netzpolitik.org. Er erwartet für das nächste Jahr weitreichende Gesetze in den USA, wo die Eindämmung von Big Tech zu einem parteiübergreifenden Thema geworden ist.

Mit Blick auf 2022 gibt es bislang weder bei den Regulierungsbehörden noch bei Big-Tech-Unternehmen Anzeichen für ein Nachgeben. Die Stimmen in der Tech-Szene, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, sind lauter geworden, aber auch die Big-Tech-Lobby ist immer noch stark. "Sie werden die Herausforderung wohl annehmen", sagt Fanta über die Big-Tech-Akteure. "Ich glaube nicht, dass sie ihre privilegierte Position auf den Märkten aufgeben wollen."


Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.