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Was unterscheidet Waffenruhe von Waffenstillstand?

Clare Roth | Jan D. Walter
28. Oktober 2023

Die UN fordern in ihrer jüngsten Resolution zum Nahost-Konflikt eine "sofortige Waffenruhe". Was bedeutet das genau? Und was ist der Unterschied zu einem Waffenstillstand?

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Im Plenarsaal der UN in New York werden die Abstimmungsergebnisse angezeigt: 120 Für-, 14 Gegenstimmen und 45 Enthaltungen
Die Generalversammlung der UN hat beschlossen, per Resolution eine "sofortige Waffenruhe" im Gazastreifen zu fordernBild: Bebeto Matthews/AP Photo/picture alliance

Mit ihrer Forderung nach einer "sofortigen Waffenruhe" haben die Vereinten Nationen den Unmut Israels auf sich gezogen. Zumal sich in der Resolution kein Hinweis auf das Selbstverteidigungsrecht Israels gegen die Hamas findet.

Die militant-islamistische Organisation, die vor allem von westlichen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, hatte am 7. Oktober bei einem Großangriff mehr als 1400 Menschen in Israel ermordet, die meisten von ihnen waren Zivilisten.

Als Reaktion auf diesen Terrorangriff hat Israel seither zahlreiche mutmaßliche Stützpunkte der Hamas im Gazastreifen bombardiert und beschossen. Zudem hat das israelische Militär mit einer  Bodenoffensive begonnen.

Was bedeutet die UN-Resolution für Israels Kampf gegen die Hamas?

Zunächst einmal sind Resolutionen der UN-Generalversammlung völkerrechtlich nicht bindend. Sie sind eher als Aufrufe an Konfliktparteien zu verstehen, in denen sich die Mehrheitsmeinung des übernationalen Gremiums widerspiegelt.

Völkerrechtlich bindend sind nur Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats. Das bedeutet, dieses höchste Gremium der Vereinten Nationen kann den betreffenden Staaten Sanktionen androhen, falls diese sich nicht an die Resolution halten. Ob Israel und die Hamas tatsächlich die von der UN-Generalversammlung geforderte Waffenruhe vereinbaren, liegt also ganz bei den beiden Konfliktparteien - dazu gezwungen sind sie nicht.

Gibt es einen Unterschied zwischen Waffenruhe und Feuerpause?

Waffenruhe und Feuerpause sind im Deutschen Synonyme, wobei sich in offiziellen Dokumenten der erste Begriff etwas häufiger findet.

Eine klare Definition dessen, was eine Waffenruhe ausmacht, gibt es nicht. In der Regel handelt es sich dabei um eher informelle Absprachen über eine Unterbrechung von Kampfhandlungen. Oft gilt diese dann auch nur für kurze Zeiträume und begrenzte Gebiete. Häufig dienen sie einem bestimmten Zweck.

So kann zum Beispiel eine dreitägige Feuerpause für ausgewählte Transportwege vereinbart werden mit dem Ziel, humanitäre Hilfe zu ermöglichen oder Zivilisten in Sicherheit zu bringen. Dann spricht man auch von einer "humanitären Pause".

Mitarbeiter des Palästinenser-Hilfswerk der UN verladen Hilfsgüter mit einem Gabelstapler
Die UN fordern eine Feuerpause im Gazastreifen - unter anderem, um die Zivilbeölkerung mit humanitärer Hilfe zu versorgenBild: Ashraf Amra/Anadolu/picture alliance

Eine Waffenruhe kann auch für Verhandlungen über den Austausch von Gefangenen oder sogar zu Friedensgesprächen genutzt werden. Sie kann aber nicht als Hinweis auf das Ende kriegerischerer Handlungen verstanden werden.

Wie verbindlich ist ein Waffenstillstand?

Im Gegensatz dazu hat ein Waffenstillstand einen offiziell vertraglichen Charakter: "Der Waffenstillstand unterbricht die Kriegsunternehmungen kraft eines wechselseitigen Übereinkommens der Kriegsparteien", heißt es in Kapitel 5 der Haager Landkriegsordnung (HLKO), einem Teil der Haager Konventionen. Damit ist der Begriff im humanitären Völkerrecht verankert. Waffenstillstände unterliegen also bestimmten Regeln.

So kann laut HLKO ein Waffenstillstand auch örtlich und zeitlich eingeschränkt werden. Aber: "Ist eine bestimmte Dauer nicht vereinbart worden, so können die Kriegsparteien jederzeit die Feindseligkeiten wieder aufnehmen." Es gibt dafür aber eine Voraussetzung: Die Kriegsgegner muss "gemäß den Bedingungen des Waffenstillstandes, rechtzeitig benachrichtigt" werden.

Eine einseitige schwere Verletzung der Bedingungen eines Waffenstillstands entbindet die andere Seite hingegen von der Benachrichtigungspflicht.

Oslo-Friedensprozess | Israel-Palästina (1993)
Historischer Händedruck: Israels Premier Rabin und PLO-Chef Arafat reichen sich bei der Unterzeichnung des ersten Oslo-Abkommens zwischen Israelis und Palästinensern vom September 1993 die Hand. Das Abkommen schuf die Grundlage für eine palästinensische Selbstverwaltung im Westjordanland und im Gazastreifen.Bild: Avi Ohayon/GPO

Wer kann einen Friedensvertrag abschließen?

Häufig bildet ein Waffenstillstand die Vorstufe zu einem Friedensvertrag, der dann einen dauerhaften Frieden regelt. Parallel zu einem Friedensvertrag wird häufig ein Friedensschluss erklärt. Damit kann ein Staat - auch einseitig - das Ende eines Krieges erklären, ohne sich auf bestimmte Bedingungen festzulegen.

Sowohl Friedensverträge als auch Friedensschlüsse können nur zwischen völkerrechtlich anerkannten Regierungen geschlossen werden. Diesen Status hat die Hamas nicht. Mehr als Zweidrittel der UN-Mitglieder erkennen den "Staat Palästina" zwar an, dessen offizielle Regierung aber die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah im Westjordanland ist. Deutschland hat sich 2012 bei der UN-Abstimmung über die staatliche Anerkennung seiner Stimme enthalten, um die Nichtstaatlichkeit der Palästinensischen Gebiete zu benennen.

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.