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Warum braucht Deutschland eine neue Hafenstrategie?

Dirk Kaufmann
6. April 2024

Häfen gehören zur "kritischen Infrastruktur", sie müssen deshalb besonders geschützt werden - real und auch digital. Dazu entwickelt die Bundesregierung eine Hafenstrategie, die das Konzept von 2015 ersetzen soll.

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Containerterminals im Hamburger Hafen (Luftbild)
Kritische Infrastruktur: Der größte deutsche Hafen in HamburgBild: Daniel Reinhardt/dpa/picture-alliance

Beispiel Hamburg: Deutschlands größter Hafen war ein lebendiger Teil der Stadt, er war das "Tor zur Welt". Jeder konnte ihn besichtigen, den Arbeitern zusehen, die Schiffe bewundern und von fernen Ufern träumen. Das hat sich grundlegend geändert. Inzwischen sind ganze Areale abgesperrt, stehen Besucher vor Zäunen oder verschlossenen Toren.

Spätestens seit dem September 2001, als die Terroranschläge in den USA Tausende Todesopfer forderten und die gesamte westliche Welt erschütterten, gelten die Häfen als sicherheitsrelevante Orte, über die Terroristen einfallen könnten. Auch der Umschlag von Rauschgift, die illegale Ein- und Ausfuhr von Waffen oder auch von Menschen fordern nicht mehr nur Zollbeamte, sondern alle Sicherheitsapparate eines Staates heraus.

Darauf wurde international mit der Einführung des ISPS-Codes (International Ship and Port Facility Security Code) reagiert, der 2002 unter Leitung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO verhandelt wurde und in Europa 2004 in Kraft trat. In Deutschland hat jetzt das Bundeskabinett am 20. März 2024 eine Nationale Hafenstrategie auf den Weg gebracht, um das noch bis 2025 gültige Nationale Hafenkonzept zu ersetzen. Laut Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sei "ein Kursbuch mit knapp 140 konkreten Maßnahmen, die Lösungswege für die drängendsten Herausforderungen der Häfen aufzeigen" erstellt worden.

Entscheidend für den Wirtschaftsstandort

Häfen, so das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr auf seiner Website, seien "nachhaltige Knotenpunkte der Energiewende" und wichtige "Ausbildungs- und Beschäftigungsorte", von denen mehr als fünf Millionen Arbeitsplätze abhingen. Ihre Wettbewerbsfähigkeit müsse gewährleistet, ihre "digitalen, automatisierten und innovativen" Fähigkeiten gestärkt und sie mit "bedarfsgerechter Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur" ausgestattet werden. Dementsprechend sollen fünf Arbeitsgruppen "Leitlinien ausarbeiten und mit konkreten Maßnahmen füllen".

Kräne und das Dock 11 im Hamburger Hafen liegt im Nebel
In Deutschlands "Tor zur Welt" wird auch bei Nacht und Nebel gearbeitetBild: Georg Wendt/dpa/picture alliance

Duisport, der Betreiber des Binnenhafens in Duisburg (Nordrhein-Westfalen), begrüßt es sehr, "dass die Bundesregierung die Nationale Hafenstrategie aufgestellt hat." Die oben zitierten Handlungsfelder träfen "im Kern die aktuellen Herausforderungen. Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur des Hafenstandorts Deutschland, behindern wir uns immer wieder selbst und verhindern Wachstum durch zu hohe bürokratische Hürden."

Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS), ein Wirtschafts- und Arbeitgeberverband, begrüßt die Initiative ebenfalls ausdrücklich. Sein Hauptgeschäftsführer, Daniel Hosseus, sagte der DW: "Wir teilen die darin enthaltenen Einschätzungen zur Bedeutung der Häfen. Die geplanten Maßnahmen finden wir weitgehend sinnvoll; viele davon entsprechen Vorschlägen, die wir eingebracht haben."

Leitzentrale für ferngesteuerte Binnenschiffe auf dem Rhein in Duisburg
Kritische Infrastruktur: Leitzentrale für ferngesteuerte Binnenschiffe auf dem Rhein in DuisburgBild: Christoph Reichwein/dpa/picture alliance

Bedeutung der Binnenhäfen

Der DW gegenüber zeigt sich die Duisburger Hafen AG erfreut, dass die Bedeutung der Häfen auch im Landesinneren gewürdigt werden. Die Strategie enthalte "viele Forderungen, die seit Jahren von den See- und Binnenhäfen gestellt werden." Dazu zähle nämlich auch die "besondere Bedeutung der Binnenhäfen für die Versorgung der Industrie."

Der Hafen Duisburg gilt als größter Binnenhafen Europas. Seine Bedeutung für das Ruhrgebiet und der dort noch immer ansässigen Stahlindustrie und für die Chemiestandorte entlang des Rheines, etwa für die Konzerne Bayer und BASF, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Außerdem liegt die Stadt am westlichen Ende von Chinas Neuer Seidenstraße, einem Verbund von Straßen- und Schienenverkehrswegen, der Westeuropa mit Innerasien und China verbindet. Der Hafen bildet den Übergang vom landgebunden Verkehr auf die Wasserwege Deutschlands und über den Rhein bis in die Nordsee.

Mannheim: Ein Kran verlädt Container im Handelshafen des Rhein-Neckar-Hafens
Häfen auch weit entfernt vom Meer: Containerverladung im Rhein-Neckar-Hafen in MannheimBild: Uwe Anspach/dpa/picture-alliance

Sicherheitslage im Blick

Gerade im Hinblick auf die Bedeutung Chinas für die deutsche Wirtschaft ist der Faktor "Sicherheit" ein zentraler Punkt einer nationalen Hafenstrategie. Doch gerade dabei halten sich die Hafenbetreiber auffallend zurück. "Der Schutz kritischer Infrastrukturen betrifft eine Vielzahl von Gefahrenlagen, die von militärischen Angriffen über kriminelle und terroristische Machenschaften bis hin zu Naturkatastrophen reichen", so etwa Daniel Hosseus.

Aber, fügt er beruhigend hinzu: "Die Unternehmen selbst machen schon aus Eigeninteresse sehr viel." Konkret möchte er da aber nicht werden und mahnt: "In jedem Fall sollten wir vermeiden, mit viel Bürokratie Scheinsicherheit zu kreieren."

Ähnlich äußert sich das Duisport-Management: "Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben sind wir ständig damit befasst, unsere Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern und anzupassen. Dies läuft beispielsweise durch den Einsatz eines Hafensicherheitsteams - aber natürlich werden viele Maßnahmen im Hintergrund umgesetzt." Es gäbe bereits "eine Vielzahl an Regularien." Eine Erhöhung der Sicherheitsstandards sei auf jeden Fall erforderlich, "jedoch muss stets berücksichtigt werden, dass diese für die Unternehmen umsetzbar und wirtschaftlich leistbar sind."

Zug verlässt den chinesischen Bahnhof Chongqing mit Ziel Binnenhafen Duisburg-Ruhrort
Dieser Zug verlässt gerade den chinesischen Bahnhof Chongqing mit Ziel Binnenhafen Duisburg-RuhrortBild: Tang Yi/Xinhua News Agency/picture alliance

Doch woher soll das Geld kommen?

Schon bevor die Hafenstrategie überhaupt fertig geschrieben ist, zeigt sich für den ZDS bereits, woran es der neuen Strategie mangeln wird: am Geld. Daniel Hosseus nennt ein Beispiel: "Der Bund gibt derzeit nur 38 Millionen in den Erhalt und Ausbau von Häfen - nur 38 Millionen! Für die Fertigstellung eines unfertigen Hochhauses in Hamburg werden aktuell 500 bis 600 Millionen Euro veranschlagt!" Daher fordert er unmissverständlich, "dass sich der Bund stärker engagiert."

Das beklagt auch der Hafen in Duisburg. Hinter den Absichten stünde "keine finanziell verbindliche Beteiligung des Bundes". Dazu brauche es auch "klare und verbindliche Regelwerke. Der Abbau bürokratischer Hemmnisse bedeutet Planungssicherheit und somit eine Stärkung des Standorts Deutschland und dies ist ja das Ziel der Nationalen Hafenstrategie."