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Warum klingen Sprachen in warmen Regionen lauter?

11. Dezember 2023

Leiser Norden, lauter Süden: Die Physik der Luft beeinflusst Sprechen und Hören. Dadurch klingen Sprachen in tropischen Ländern lauter. Menschen in kalter Luft kommunizieren dagegen leiser.

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Lautstärkeknopf im Mund, Symbolbild Lautstärke
Die physikalischen Eigenschaften der Luft beeinflussen, wie leicht Sprache erzeugt oder gehört werden kann. Bild: marshi/Shotshop/picture alliance

Laut einer neuen linguistischen Studie gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Klima und der Sprachentwicklung: Demnach beeinflusst die Umgebungstemperaturen die Lautstärke bestimmter Sprachlaute. Deshalb klingen Sprachen in tropischen Ländern oftmals lauter, wohingegen Menschen in kalter Luft leiser kommunizieren, heißt es in der Zeitschrift PNAS Nexus.

"Vereinfacht gesagt, sind Sprachen in wärmeren Regionen lauter als die in kälteren Regionen", so Sprachforscher Søren Wichmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der die Studie zusammen mit drei Kollegen von der Nankai-Universität im chinesischen Tianjin verfasst hat.

Stimmbänder vibrieren bei Kälte schlechter

Der Effekt lässt sich so erklären: Gesprochene Worte werden durch die Luft als Schallwellen übertragen. Die physikalischen Eigenschaften der Luft beeinflussen also, wie leicht Sprache erzeugt oder gehört werden kann.

Bei tiefen Temperaturen wird die Luft dichter und ihre Moleküle bewegen sich langsamer. Deshalb kann sich auch der Schall bei kälteren Temperaturen etwas langsamer ausbreiten als bei wärmeren Temperaturen.

Stimmlose Laute wie zum Beispiel "p", "t" und "s" werden ohne Stimmvibration der Stimmbänder erzeugt. Stimmhafte Laute wie "b", "d" und "z" erstehen dagegen durch Schwingungen der Stimmbänder.

In trockener, kalter Luft sind die Stimmbänder eher trocken und es fällt ihnen schwerer, eine Vibration zu erzeugen, die es für stimmhafte Laute braucht. In warmer Luft wird die Hochfrequenzenergie von stimmlosen Lauten dagegen stärker absorbiert, da die Moleküle in warmer Luft schneller schwingen. Dadurch wird der Klang dumpfer oder weniger deutlich.

5293 Sprachen ausgewertet

Zur Bestimmung der sogenannten Sonorität, also der Klangfülle eines Lautes, verwendeten die Forschenden eine Skala von 1 für stimmlose Laute bis 17 für offene Vokale wie A. Anhand dieser Methodik wurden insgesamt 5293 Sprachen, deren Grundwortschatz in der Datenbank Automated Similarity Judgment Program erfasst ist, nach laut oder leise eingeordnet.

Symbolbild Frau brüllt in eine Megaphon, andere Frau fordert Ruhe
Für die Studie wurden 5293 Sprachen ausgewertet: Der Norden ist leiser, der Süden lauterBild: Michaela Begsteiger/imageBROKER/picture alliance

Dann wurden die Sprachen mit den durchschnittlichen Temperaturdaten für den jeweiligen Ursprungsort abgeglichen. Dabei zeigte sich ein klarer statistischer Zusammenhang: Rund um den Äquator ist die durchschnittliche Sonorität am höchsten, die Sprachen sind also am lautesten, heißt es in der Zeitschrift Nature. 

Vokale-Konsonanten-Verhältnis beeinflusst Lautstärke

Wie laut oder leise eine Sprache ist, hängt außerdem vom Verhältnis der Vokale zu den Konsonanten ab. Als besonders "leise" gelten die Salish-Sprachen im pazifischen Nordwesten, also an der nordamerikanischen Nordwestküste. Dort fehlen den Worten häufig die Vokale: "płt" bedeutet etwa "dick" und "pk'm" ist die Bezeichnung für Moskitos.

Im Gegensatz dazu haben die in den Tropen gesprochenen Sprachen oftmals ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Vokalen und Konsonanten: In den Worten wechseln sich einzelne Konsonanten und Vokale häufig ab. "Wehewehe" beispielsweise bedeutet auf Hawaiianisch "erklären" und "Edo okuta" ist die Bezeichnung für "Stein".

Symbolbild Zuhören
Umgebungstemperaturen beeinflussen die Lautstärke bestimmter SprachlauteBild: Andreas Pulwey/picture alliance

Laut Studie klingen Sprachen aus Ozeanien oder Westafrika besonders "laut". Die Bezeichnung für einen Schmetterling lautet auf Yaruba, das im Südwesten von Nigeria gesprochen wird, zum Beispiel "labalábá".

Einige Ausnahmen gibt es natürlich auch: In einigen Regionen Mittelamerikas und auf dem südostasiatischen Festland gibt es Sprachen mit einer eher niedrigen Sonorität - trotz des dort vorherrschenden warmen Klimas.

Diese Ausnahmen zeigen laut Wichmann, dass sich die Auswirkungen der Temperatur auf die Klangfülle nur langsam entwickeln und die Klänge einer Sprache nur über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende prägen. 

Passt sich die Sprache der Umwelt an?

Nach Ansicht der Studien-Autoren spricht deshalb viel dafür, dass die Umwelt die Sprache geprägt hat. "Lange ging die Forschung davon aus, dass sprachliche Strukturen in sich geschlossen sind und nicht in irgendeiner Weise von der sozialen oder natürlichen Umwelt beeinflusst werden. Neuere Studien, einschließlich der unseren, beginnen, dies in Frage zu stellen", sagt der Sprachforscher Wichmann.

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund