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Scharfe Kritik nach Range-Rauswurf

5. August 2015

Bundesjustizminister Heiko Maas hat Generalbundesanwalt Harald Range in den Ruhestand versetzt. Doch die "Netzpolitik"-Affäre ist damit noch nicht beendet.

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Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gibt am 31.07.2015 in Berlin im Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz ein Statement zum Vorgehen der Justiz gegen den Internetblog Netzpolitik.org. (Foto: Britta Pedersen/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Nach dem Rauswurf von Generalbundesanwalt Harald Range werden Forderungen nach weiteren Konsequenzen laut. Die Grünen verlangen eine sofortige Aufklärung der Vorgänge in der Affäre um die Landesverrats-Ermittlungen gegen zwei Journalisten von Netzpolitik.org. Fraktionschefin Katrin-Göring-Eckardt forderte eine Sondersitzung des Rechtsausschusses des Bundestags. "Ich erwarte von Union und SPD, dass sie sich dieser Aufklärung nicht verweigern", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Die Linkspartei bringt einen Untersuchungsausschuss ins Spiel. Sollte die Regierung nicht ihren Teil zur Aufklärung der Affäre beitragen, müsse man darüber nachdenken, erklärte Parteichef Bernd Riexinger.

Bundesjustizminister Heiko Maas hatte Range am Dienstagabend in den Ruhestand versetzt. Das Vertrauen sei "nachhaltig gestört" worden, sagte Maas. Range hatte Maas am Dienstagmorgen politische Einflussnahme auf die Justiz im Zuge der Ermittlungen wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen vorgeworfen und erklärt, er habe Anweisung bekommen, ein externes Gutachten in dieser Sache sofort zu stoppen und den Auftrag zurückzuziehen. Er sei dieser Weisung nachgekommen.

Generalbundesanwalt Harald Range spricht am 04.08.2015 in Karlsruhe (Baden-Württemberg) vor Medienvertretern. (Foto: Wolfram Kastl/dpa)
Harald Range wurde nach heftigen Anschuldigungen in den Ruhestand versetztBild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Gestritten wird vor allem über den Zeitpunkt der Weisung. Maas behauptet, die Rücknahme des Gutachtens sei am vergangenen Freitag mit Range verabredet worden - und zwar ohne Kenntnis des möglichen Inhalts. Range sagt hingegen, er habe die Weisung vom Ministerium erst erhalten, nachdem er die Bewertung des Gutachtens am Montag mitgeteilt habe. Ein externer Sachverständiger war Range zufolge zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den am 15. April veröffentlichten Dokumenten tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handele.

Maas im Fokus der Kritik

Politiker mehrere Parteien kritisierten das Vorgehen des Bundesjustizministers. Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl geht davon aus, dass das Justizministerium vom Generalbundesanwalt in den vergangenen drei Monaten in die Vorbereitungshandlungen für mögliche Ermittlungen eingebunden gewesen sei. "In dieser Zeit hat der Justizminister offenbar keinen Gebrauch von seiner Weisungsbefugnis gegenüber Range gemacht", sagte Uhl dem "Handelsblatt". Die plötzliche Entlassung sei merkwürdig. "Ich halte das für überzogen und deswegen auch für falsch", fügte er hinzu.

Auch der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki nimmt den Justizminister ins Visier. Er unterstellte Maas, seinem Amt nicht gewachsen zu sein. "Die Entlassung des Generalbundesanwalts wegen eines laufenden Ermittlungsverfahrens ist in der bundesdeutschen Geschichte einmalig", sagte er. "Der Bundesjustizminister irrt, wenn er glaubt, hierdurch von seinem eigenen eklatanten Versagen ablenken zu können." Maas selbst hätte das Ermittlungsverfahren im Einvernehmen mit dem Generalbundesanwalt beenden können, sagte er.

Der Deutsche Richterbund stellte sich hinter Range. "Hier soll ein umstrittenes Ermittlungsverfahren allem Anschein nach bereits im Anfangsstadium unterbunden werden, weil der Bundesjustizminister politischen Flurschaden in Berlin befürchtet", bemängelte der Verbandsvorsitzende Christoph Frank.

Verständnis für den Justizminister

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl begrüßte dagegen die Entlassung Ranges. "Der Kleinkrieg zwischen dem Generalbundesanwalt und dem Justizministerium konnte jedenfalls so nicht weitergehen." Nun sei das "sicherheitspolitisch absurde Theater" beendet. "Für diese Art der Binnenbeschäftigung haben die Menschen in dieser Lage keine Minute Verständnis", sagte Strobl der Zeitung "Welt". Denn die Sicherheitslage sei so ernst wie noch nie, die Sicherheitsorgane dürften sich nicht gegenseitig schwächen.

Auch SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi verteidigte Maas' Vorgehen. Er habe aus Ranges "Vertrauensbruch" die richtig Konsequenz gezogen. Ohnehin seien die Ermittlungen gegen "Netzpolitik.org" ein "schwerer Fehler" gewesen.

CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte dem "Handelsblatt", die Reaktion von Maas sei "nachvollziehbar". Die ministerielle Weisung, das bereits in Auftrag gegebene Gutachten auf halbem Weg zu stoppen, sei aber nicht unproblematisch. Er erwarte eine Antwort darauf, ob nun "die Version Ranges" richtig sei oder die von Maas. Es müsse zudem geklärt werden, wann der Bundesjustizminister erstmals Kenntnis von den Ermittlungen erlangt und wie er darauf reagiert habe.

Auch Maaßen und de Maizière im Visier

Innenminister Thomas de Maizière und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen bei einem Symposium zu islamistischem Terrorismus in Berlin (Foto: REUTERS/Hannibal Hanschke)
Ebenfalls in der Kritik: Innenminister de Maizière und Verfassungsschutzpräsident MaaßenBild: Reuters/H. Hanschke

Die Grünen sehen Range in der Affäre als "Bauernopfer". Für Fraktions-Vize Konstantin von Notz steht aber nicht nur der Justizminister, sondern auch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Rampenlicht. Die Aufklärung müsse sich auf diese Personen fokussieren, sagte Notz. "Ausgeheckt wurde der inakzeptable Angriff auf die Pressefreiheit mit der haltlosen Begründung eines angeblichen Landesverrates im Bundesamt für Verfassungsschutz." Hinter dem "Fiasko" zwischen Justizministerium und Bundesanwaltschaft dürfe sich auch "das Bundesinnenministerium mit seiner eigenen Verantwortung nicht verstecken", so Notz. Als obere Bundesbehörde gehört der Verfassungsschutz zum Verantwortungsbereich des Innenministeriums.

Netzpolitik.org hatte im April über Pläne des Verfassungsschutzes berichtet, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Dazu stellten die Journalisten vertrauliche Unterlagen ins Netz. Der Verfassungsschutz erstattete Anzeige. Range leitete ein ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei der Blogger ein und gab das externe Gutachten in Auftrag. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts wurden vielfach als Angriff auf die Pressefreiheit gerügt.

sp/fab (dpa, rtr,afp)