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PolitikNamibia

Wie geht es weiter in Namibia nach dem Tod des Präsidenten?

Jasko Rust in Windhuk | Martina Schwikowski
10. Februar 2024

Nach dem Tod von Namibias Präsident Hage Geingob muss sich auch die Regierungspartei SWAPO neu aufstellen. Eigentlich gab es schon einen Plan für die Ära nach Geingob - ohne den neuen Interimspräsidenten Nangolo Mbumba.

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Amtseinführung des neuen Präsidenten nach dem Tod von Hage Geingob
Sollen Namibia nach dem Tod von Präsident Hage Geingob führen: Interimspräsident Nangolo Mbumba mit seiner Stellverterterin Netumbo Nandi-NdaitwahBild: Ester Mbathera/AP/picture alliance

In einer dunklen Stunde für Namibia spielte sich ein friedlicher Machtwechsel ab: Am frühen Sonntagmorgen starb der 82-jährige Präsident Hage Geingob nach einem kurzen Kampf gegen den Krebs. Vizepräsident Nangolo Mbumba rückte somit zum Interims-Staatschef auf. Doch er stellte bereits klar, dass er es bei einer Übergangszeit belassen und bei Wahlen im November nicht antreten will: "Ich werde bei den Wahlen nicht mitmischen, keine Sorge", sagte er bei seinem formellen Amtseid.

Namibia Präsident Hage Geingob
Geingob war bis kurz vor seinem Tod auf der internationalen Bühne präsent - hier bei der Klimakonferenz COP28 im Dezember 2023Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Damit unterscheidet sich Mbumba zumindest nach aktuellem Stand von vielen afrikanischen Spitzenpolitikern, die, einmal an der Macht, sich diese mit allen Mitteln erhalten wollen. "Unsere Nation bleibt ruhig und stabil dank der Führung Präsident Geingobs, der der Chefarchitekt der Verfassung war", würdigte Mbumba seinen Vorgänger. Geingob stand seit 2015 an der Spitze des dünn besiedelten südwestafrikanischen Landes, das nach deutscher und südafrikanischer Fremdherrschaft erst 1990 die Unabhängigkeit erlangte.

Der Stellvertreter rückt auf - für den Übergang

Für die politische Analystin Rakkel Andreas ist Mbumba die richtige Person im Amt des Interimspräsidenten: "Der Kontinuität zuliebe war er die ideale Wahl, schließlich trägt er das institutionelle Gedächtnis des Präsidentenamts weiter", sagt Andreas der DW.

Amtseinführung des neuen Präsidenten nach dem Tod von Hage Geingob
Nangolo Mbumba bei seinem Amtseid am 4. FebruarBild: Sharon Kavhu/Xinhua/picture alliance

Mbumba war seit 2018 Geingobs Stellvertreter, überließ das Rampenlicht jedoch in aller Regel dem charismatischen Präsidenten. Vor seinem Wechsel an die Staatsspitze 2015 war Geingob bereits der Premierminister mit den meisten Amtsjahren: von 1990 bis 2002 und von 2012 bis 2015. In die Präsidentschaft startete er mit einem Erdrutschsieg von 87 Prozent der Stimmen; fünf Jahre später wurde er mit nur mehr 56 Prozent wiedergewählt.

Grund für den Popularitätsverlust könnte eine stagnierende Wirtschaft bei zugleich hoher Arbeitslosigkeit und Armut gewesen sein. Auch Korruptionsskandale überschatteten Geingobs Herrschaft.

Bekommt Namibia erstmals eine Präsidentin?

Zu Mbumbas neuer Stellvertreterin wurde die frühere Vize-Premierministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah auserkoren. Bereits vor Geingobs Tod galt als ausgemacht, dass sie für die Südwestafrikanische Volksorganisation SWAPO, die einstige Unabhängigkeitsbewegung und heutige Regierungspartei, bei den Wahlen im November für das Amt der Präsidentin kandidieren würde. Geingob hätte nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten dürfen.

Bildergalerie Außenministerinnen der Welt | Netumbo Nandi-Ndaitwah, Namibia
Netumbo Nandi-Ndaitwah bekleidete schon verschiedene Regierungspositionen - hier ein Foto aus ihrer Zeit als Außenministerin 2018Bild: Alexander Shcherbak/TASS/dpa/picture alliance

Die 71-Jährige kann sich also gute Chancen ausrechnen, zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt Namibias gewählt zu werden. Ihre Nominierung ist aus Rakkel Andreas' Sicht ein Schachzug, mit dem die SWAPO Kontinuität bewahren kann.

SWAPO hat eigene Pläne für die Zukunft

Die Partei hat mit Geingob auch ihren Vorsitzenden verloren und dürfte nun binnen 90 Tagen einen Sonderparteitag einberufen, um den Chefposten neu zu besetzen. Als Präsidentschaftskandidatin gilt Nandi-Ndaitwah als logische Nachfolgerin.

Analystin Andreas billigt aber auch Nangolo Mbumba durchaus Chancen auf den Parteivorsitz zu. Auf die Präsidentschaftswahl im November hätte das ihr zufolge aber keinen Einfluss: "Ich rechne damit, dass die SWAPO an Nandi-Ndaitwah als Kandidatin festhält", sagt sie der DW. Das würde auch nach außen den Eindruck von Stabilität stärken. Ein kurzfristiger Kandidatentausch hingegen könnte ihrzufolge als unzuverlässig wahrgenommen werden.

Namibia Grüner Wasserstoff | Windhuk
34 Jahre nach der Unabhängigkeit kritisieren viele Namibier die SWAPO für zu geringen AufschwungBild: Jasko Rust

Dass Mbumba, selbst 82 Jahre alt, sie ausbooten könnte, gilt als unwahrscheinlich. "Jegliche Ambitionen, die er haben könnte, müssten mit der Zukunft der Partei abgewogen werden", sagt Andreas. Interne Uneinigkeit und Schwäche innerhalb der SWAPO nach Geingobs Tod würde den Oppositionsparteien in die Hände spielen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. "Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Opposition das Thema taktisch zu ihrem eigenen Vorteil ausschlachten kann", sagte Andreas.

Die Zugkraft der Unabhängigkeitsbewegung schwindet

Gute drei Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit verliert das Helden-Narrativ der SWAPO an Strahlkraft, insbesondere bei den nach 1990 geborenen Namibiern. "Bei den Wahlen im November läuft die SWAPO stärker als jemals seit der Unabhängigkeit Gefahr, die absolute Mehrheit zu verlieren", sagt der auf Namibia spezialisierte Politikwissenschaftler Henning Melber.

Die Partei stecke immer noch zu sehr in der Ideologie der Befreiung fest. Das beste Beispiel liefere die neue Vizepräsidentin Nandi-Ndaitwah: "Sie ist konservativ, homophob und tatsächlich tief reaktionär", sagt der Deutsch-Namibier Melber, der in jungen Jahren selbst der SWAPO beigetreten war, im DW-Gespräch. Unter ihr als Präsidentin würde Namibia kaum Fortschritte im Bereich Zivilgesellschaft machen.

Den verstorbenen Präsidenten Geingob sieht Melber als vergleichsweise progressiv: Er hielt enge Verbindungen mit den USA, trieb den Ausbau erneuerbarer Energien voran und galt als afrikanischer Pionier beim Thema grüne Industrialisierung - etwa in Form von Produktionsstätten für annähernd klimaneutral gewonnenen Wasserstoff.

Grüner Wasserstoff aus Namibia

Allerdings hat die SWAPO weiter gute Chancen, stärkste politische Kraft in Namibia zu bleiben, womöglich auch weiter mit absoluter Mehrheit. "Der Legitimitätsverlust wiegt weniger schwer als der des ANC in Südafrika", analysiert Melber. Im Nachbarland gehen viele davon aus, dass die einstige Apartheids-Widerstandsbewegung nach der bevorstehenden Wahl auf einen Koalitionspartner angewiesen sein wird.

Die SWAPO habe das Glück, so Melber, dass die Opposition in Namibia zersplitterter und damit nicht in der Lage sei, stabile Allianzen oder Koalitionen zu schmieden. "Sie kämpfen untereinander, es gibt Vorwürfe von Bestechung und Amtsmissbrauch", sagt er. Aus seiner Sicht wird bei einer knapperen Mehrheit für SWAPO interessant, inwieweit die Partei flexibel genug und willens ist, Allianzen mit ihren politischen Wettbewerbern einzugehen.

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.