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KonflikteNahost

Wie Israel die Zukunft von Gaza plant

Silja Thoms
23. Februar 2024

Volle militärische Kontrolle und Schließung des Palästinenserhilfswerkes UNRWA: Israels Premier Netanjahu hat erstmals einen Plan für Gaza nach dem Krieg präsentiert. Was bisher darüber bekannt ist.

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Benjamin Netanjahu sitzt bei einer Kabinettssitzung zwischen anderen Politikern und vor israelischen Flaggen
Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat dem Sicherheitskabinett erstmals Pläne für Gaza nach dem Krieg vorgelegtBild: Ohad Zwigenberg/AFP/Getty Images

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat dem Sicherheitskabinett einen Plan zur politischen Zukunft des Gazastreifens nach dem Ende des Krieges gegen die militant-islamistische Hamas vorgelegt. Es ist das erste Mal, dass Netanjahu öffentlich einen solchen Plan präsentiert.

Der Israel-Hamas-Krieg begann nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel. Nach israelischen Angaben wurde dabei etwa 1160 Menschen getötet und rund 250 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Laut Angaben Israels werden noch 130 Geiseln im Gazastreifen festgehalten, etwa 30 von ihnen sollen tot sein. Die Hamas wird von den USA, der EU, Israel und weiteren Staaten als Terrororganisation eingestuft. 

Wer regiert künftig in Gaza?

Noch enthält Israels Gaza-Plan eher vage Formulierungen. So heißt es, dass Gaza in Zukunft von "lokalen Beamten mit fachlicher Erfahrung" verwaltet werden solle. Diese dürften "keine Verbindungen zu Terrororganisationen oder Ländern haben, die Terrorismus unterstützen, und auch nicht von ihnen bezahlt werden".

Wer genau das sein soll, ist zurzeit noch unklar. Die im Westjordanland regierende Palästinensische Autonomiebehörde (PA) wird im Papier ausdrücklich nicht erwähnt. Doch ausgeschlossen wird ihre Beteiligung an einer künftigen Verwaltung des Gazastreifens ebenfalls nicht.

Israel Gazastreifen Ein israelischer Soldat in einem Panzer in der Nähe der Grenze zu Gaza
Israels Regierung will in Gaza künftig die "volle militärische Kontrolle" ausüben Bild: Tsafrir Abayov/AP Photo/picture alliance

Sicherheitskontrolle durch das israelische Militär 

Laut Medienberichten der Zeitungen Times of Israel und Hareetz soll künftig das israelische Militär die "volle Sicherheitskontrolle" über den gesamten Küstenstreifen übernehmen. Alle militärischen Strukturen der Hamas werden demnach zerschlagen. Das israelische Militär soll laut Plan jederzeit im Gazastreifen operieren können und "unbegrenzte Freiheit" für Einsätze haben. 

Auch von einer neuen Straße, die den Gazastreifen in Nord und Süd teilt, verspricht sich Israel laut Medienberichten eine bessere Sicherheitskontrolle. Beobachter fürchten allerdings, dass Israel diese Straße auch dafür nutzen könnte, palästinensische Geflüchtete, die zu Kriegsbeginn in den Süden geflohen waren, an der Rückkehr in den Norden zu hindern.   

Ein Gruppe Palästinenser blickt auf zerstörte Häuser Gazastreifen
Laut einem US-amerikanischen Medienbericht sollen etwa 70 Prozent der Häuser und Wohnungen im Gazastreifen zerstört seinBild: Hatem Ali/AP Photo/picture alliance

Laut Haaretz sieht der Plan auch vor, eine Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Israel einzurichten, die von der israelischen Armee kontrolliert und in die keine Zivilisten zurückkehren dürften. Eine solche Pufferzone würde jedoch auch das bewohnbare Gebiet im Gazastreifen verringern.  

Zudem wolle Israel an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen operieren und eine "südliche Abriegelung" der Grenze durchsetzen, um dort den Schmuggel nach Gaza einzudämmen.

 

Benjamin Netanjahu steht bei einem Besuch im Kibbuz Be'eri inmitten von Soldaten und Mitgliedern der IDF
Von Soldaten umringt: Israels Premier Netanjahu bei einem Besuch im Kibbuz Be'eriBild: Avi Ohayon/GPO/dpa/picture alliance

Aus für UNRWA?

Ein weiteres Nachkriegsziel Netanjahus ist die Schließung des Palästinenserhilfswerks UNRWA. Der israelische Premier wirft dem UN-Hilfswerk vor, von der Hamas unterwandert zu sein. Demnach sollen mehrere Mitarbeiter des Hilfswerks am Großangriff der Hamas auf Israel beteiligt gewesen sein. Die UN hatten die beschuldigten Mitarbeiter entlassen und interne Ermittlungen eingeleitet. Als Reaktion auf Israels Vorwürfe setzten zahlreiche Staaten, darunter die USA und Deutschland, ihre Zahlungen an das Hilfswerk zwischenzeitlich aus

Ein LKW mit UNRWA-Logo steht in Ägypten an der Grenze zu Rafah
Netanjahu wirft dem UN-Hilfswerk UNRWA vor, von der Hamas unterwandert zu seinBild: Amr Abdallah Dalsh≥/REUTERS

Absage an rechtsextreme Forderungen 

Den Anliegen einiger rechtsextremer israelischer Minister in seinem Kabinett gab Netanjahu aber offenbar nicht nach. Diese hatten unter anderem gefordert, den Gazastreifen für israelische Siedler zu nutzen. Der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir, Minister für öffentliche Sicherheit, hatten zudem dazu aufgerufen, die palästinensische Bevölkerung außerhalb des Gazastreifens anzusiedeln.

Netanjahu hatte bereits im Januar dieses Jahres die Idee verworfen, jüdische Siedlungen in Gaza zu errichten. Auch US-Außenminister Antony Blinken kritisierte die Aussage. Eine Ausweitung der Siedlungen in palästinensischen Gebieten verhindere den Frieden, so Blinken. 

Israel will keine Zwei-Staaten-Lösung

US-Außenminister Blinken schüttelt Israels Premier Benjamin Netanjahu in Israel die Hand
Die USA machen sich für eine Zweistaatenlösung stark - Netanjahu lehnt das abBild: Amos Ben-Gershom/dpa/picture alliance

Einer international erwünschten Zwei-Staaten-Lösung erteilte Netanjahu allerdings weiterhin eine Absage. Damit widerspricht er den Zielen der USA. Diese setzen auf eine umgestaltete palästinensische Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, die im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernehmen soll.

Ein Sprecher der Autonomiebehörde unter Abbas wies Netanjahus Plan ebenfalls zurück. "Der Gazastreifen wird nur Teil eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt sein", teilte er nach Angaben der amtlichen palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa mit. 

Wenn die Welt Sicherheit und Stabilität in der Region wolle, müsse sie "die israelische Besetzung von palästinensischen Territorien beenden und einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Jerusalem als seiner Hauptstadt anerkennen", fuhr Abbas' Sprecher fort.

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