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Fußball-Rekordmeister FC Bayern tief in der Krise

Mathias Brück
21. Februar 2024

In der Fußball-Bundesliga weit zurück, in der Champions League verloren, die Trennung von Trainer Thomas Tuchel ist beschlossen. Der erfolgsverwöhnte FC Bayern München steht vor einem großen Umbruch.

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verzweifelter Harry Kane vom FC Bayern beim Spiel in Bochum
Krise beim Rekordmeister: Harry Kane und dem FC Bayern droht eine Saison ohne Titel Bild: Mika Volkmann/picture alliance

Drei Niederlagen in Folge waren dann doch zu viel für die Verantwortlichen des FC Bayern , besonders die Art und Weise, wie sie zustande kamen. Nach der Pleite am vergangenen Wochenende in der Fußball-Bundesliga beim VfL Bochum beträgt der Abstand auf Tabellenführer Bayer 04 Leverkusen bereits acht Punkte. Im DFB-Pokal sind die Münchener schon im November ausgeschieden und in der Champions League droht nach der Hinspiel-Niederlage im Achtelfinale gegen Lazio Rom ebenfalls ein frühes Scheitern. Daher hat der Verein die Reißleine gezogen und alles dafür vorbereitet, im Sommer einen Neustart zu machen. Die wichtigste Entscheidung: Trainer Thomas Tuchel wird den Klub nach der Saison verlassen.

Welche Schuld hat der Trainer?

Vor nicht mal einem Jahr hatte Thomas Tuchel überraschend Julian Nagelsmann als Bayern-Trainer abgelöst, der seinerzeit in allen Wettbewerben noch im Titelrennen war. Der damalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic sagte zur Nagelsmann-Entlassung: "Die Leistungskontinuität der Mannschaft ist nicht wirklich besser geworden." Ein Jahr später lässt sich jedoch feststellen: Das ist sie auch unter Thomas Tuchel nicht.

Nimmt man den Punkteschnitt, ist Tuchel der schlechteste Bayern-Trainer seit Jürgen Klinsmann 2009. Statt durch Erfolg und guten Fußball fällt der akribische Taktiker seit seinem Amtsantritt eher durch Ratlosigkeit und Dünnhäutigkeit auf. Sätze wie: "Ich weiß nicht, wieso wir so den Faden verloren haben in der zweiten Halbzeit, keine Ahnung" im Anschluss an die Niederlage bei Lazio Rom häuften sich bei Tuchel, was vermutlich dazu beigetragen hat, seinen Vertrag vorzeitig zu beenden.

Thomas Tuchel reagiert verärgert an der Seitenlinie
Thomas Tuchel ist im Punkteschnitt der schlechteste Bayern-Trainer seit 2009Bild: ActionPictures/IMAGO

Die Niederlage im Topspiel gegen Leverkusen offenbarte auch taktische und personelle Fehler des Trainers. Statt im gewohnten 4-2-3-1-System spielten die Münchner im 3-4-3, ohne Thomas Müller und Joshua Kimmich. Das Experiment scheiterte grandios.

Der Rekordmeister wurde von Leverkusen teilweise vorgeführt und erspielte sich im gesamten Spiel keine echte Torchance. Eine Führungsfigur wurde auf dem Feld schmerzlich vermisst. Tuchel hat keine Linie gefunden, einige wichtige Spieler sind verunsichert und wiesen nach dürftigen Leistungen darauf hin, dass im Training alles besser laufe als im Spiel.

Warum spielt Bayern nicht erfolgreich?

Seit Wochen fehlt es dem FC Bayern an Spielfreude und Leichtigkeit. Überzeugten die Münchener in der Hinrunde noch häufig mit Angriffsfußball, wirken die Auftritte des Rekordmeisters aktuell uninspiriert und schwerfällig. Besondere Sorgen bereitet dem 33-maligen Deutschen Meister die Abwehr. Auch aufgrund von Verletzungen war Tuchel dazu gezwungen, ständig zwischen Dreier-, Vierer- und Fünferkette zu wechseln. Zudem gibt es kein eingespieltes Innenverteidiger-Duo unter Tuchel. Mal spielt Dayot Umamecano mit Min-Jae Kim, im nächsten Spiel startet dann wieder Matthijs de Ligt.

Eine Selbstverständlichkeit aufkommen zu lassen, scheint so unmöglich. Ehemalige wichtige Stützen des Vereins wirken verunsichert und überfordert. Joshua Kimmich und Leon Goretzka überzeugen im Mittelfeld nicht, Leroy Sane und Harry Kane sind weit von ihrer Topform der Hinrunde entfernt.

Welche Rolle spielen die Bosse?

Klubvorstand Jan-Christian Dreesen und Sportdirektor Christoph Freund übernahmen die Posten von Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, die im letzten Sommer vom Verein entlassen wurden. Ehrenpräsident Uli Hoeneß sprach damals von einer "katastrophal schlechten Stimmung" im Klub. Gut ein Jahr später ist die Stimmung nicht viel besser. Erneut müssen sich die Verantwortlichen Kritik stellen.

Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn (r.) auf der Tribüne
Hasan Salihamidzic (l.) und Oliver Kahn wurden im Sommer vom FC Bayern entlassenBild: Stefan Matzke/empics/picture alliance

Dreesen versuchte nach der Niederlage in Bochum, die längst in der Öffentlichkeit existierende Diskussion um Thomas Tuchel nicht weiter zu befeuern. Er halte nichts von "monströsen Trainer-Unterstützungsbekundungen", aber ein Trainerwechsel sei "aktuell kein Thema, mit dem wir uns beschäftigen". Dass er dabei nicht ehrlich war, zeigt die Bekanntgabe der Trennung nur wenige Tage später.

Aber nicht nur Tuchel steht im Fokus, auch die Bosse werden kritisiert, insbesondere für die Kaderplanung. Sinnbildlich dafür steht Josip Stanisic, der beim Spiel seiner Leverkusener gegen Bayern das Führungstor schoss. Ohne jegliche Not wurde der in München ausgebildete kroatische Nationalspieler im Sommer nach Leverkusen verliehen. Besondere Ironie der Geschichte: Der aufgrund des Defensiv-Engpasses für 30 Millionen Euro nachverpflichtete Sacha Boey verlor Stanisic bei dessen Tor aus den Augen. Alleine vor Manuel Neuer musste der Bayern-Leihspieler gegen seinen eigentlichen Arbeitgeber nur noch einschieben.

Braucht es einen Umbruch beim FC Bayern?

Unabhängig davon, wie diese Saison ausgeht und wer in der kommenden Spielzeit auf der Bayern-Bank sitzen wird, soll im Sommer ein personeller Umbruch auch in der Mannschaft her. Dabei geht es konkret um die fußballerische Qualität und die Charaktere im Team, aber auch um die Finanzen. Verschiedenen Berichten zufolge sollen zudem mehrere Leistungsträger unzufrieden sein und mit einem Abschied liebäugeln. Spieler wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Matthijs de Ligt sollten eigentlich als Nachfolger von Manuel Neuer und Thomas Müller die künftige Achse des Rekordmeisters bilden. Doch keiner der drei war in den vergangenen Wochen unter Tuchel unumstrittener Stammspieler.

De Ligt soll mit seiner Situation so unzufrieden sein, dass er im Sommer weg möchte. Bei Goretzka, der seit Monaten nicht mehr an sein früheres Leistungsniveau herankommt, wäre der Verein wahrscheinlich nicht traurig, wenn ihn ein anderer Verein verpflichten würde.

Wie beeinflusst die Personalie Max Eberl die Lage?

Max Eberl wird ab 1. März das Amt des Sportvorstands des FC Bayern bekleiden. Die Hauptaufgabe des ehemaligen Gladbacher und Leipziger Sportdirektors wird darin liegen, wieder eine klare Transfer-Ausrichtung womöglich bereits unter Mitsprache des kommenden Trainers zu implementieren.

Max Eberl im Porträt
Max Eberl soll neuer Sportvorstand des FC Bayern werdenBild: Frank Hoermann/SVEN SIMON/picture alliance

Eberl wird in Absprache mit Sportdirektor Christoph Freund entscheiden müssen, welche Spieler aus der aktuellen Mannschaft dem Verein in Zukunft weiterhelfen und von wem man sich trennt, auch um die üppige Gehaltsstruktur der letzten Jahre anzupassen.

Der Artikel wurde am 21. Februar, nach der Bekanntgabe der bevorstehenden Trennung von Thomas Tuchel, aktualisiert.