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Anti-LGBTQ+-Gesetz: Florida versus Walt Disney

Verena Greb
22. April 2022

Der Walt Disney-Konzern hat es gewagt, das so genannte "Don't Say Gay"-Gesetz im US-Bundesstaat Florida zu kritisieren. Deshalb wird Disney World in Orlando aller Voraussicht nach nun seinen Sonderstatus verlieren.

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Foto zeigt Disney World bei Nacht
Das Walt Disney World Resort in Orlando, Florida, verfügt seit 1967 über ein vom Parlament geschaffenes SelbstverwaltungsrechtBild: Orlando Sentinel/TNS/ABACA/picture alliance

Noch hat Floridas Gouverneur Ron DeSantis das im Parlament seines US-Bundesstaats verabschiedete Gesetz, wonach Disney World sein Recht auf Selbstverwaltung verlieren soll, nicht unterzeichnet. Doch die Unterschrift des Republikaners gilt nur als Formalie. DeSantis, der 2024 US-amerikanischer Präsidentschaftskandidat werden könnte, hatte den Wunsch selbst eingebracht, gegen Disney vorzugehen.

Hintergrund des Streits ist ein kürzlich verabschiedetes Gesetz in Florida, wonach an Grundschulen nicht mehr über die Themen sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität gesprochen werden darf.

Tabuthemen: sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Die "Don't Say Gay"-Bill (dt. "Sag nicht schwul"-Gesetz) sorgt weit über die USA hinaus für Kritik. Das Gesetz gilt als Schlag gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft. Die Abkürzung LGBTQ+ steht für lesbische, schwule, bisexuelle, queere und Trans-Menschen, mit weiteren Zusätzen (LGBTQIA+) auch für intergeschlechtliche oder asexuelle Menschen - sprich für all jene, die sich nicht mit heterosexuellen oder binären Geschlechternormen identifizieren. Zu jenen, die in den USA an dem Gesetz Kritik geäußert haben, gesellte sich am 28. März der Walt Disney-Konzern. 

Auf Twitter schrieb die "Walt Disney Company": "Floridas Gesetz 1557, auch bekannt als das 'Sag nicht schwul'-Gesetz, hätte niemals beschlossen und unterzeichnet werden dürfen. Unser Ziel als Konzern ist, dass dieses Gesetz von der Legislative aufgehoben oder von den Gerichten niedergerungen wird, und wir bleiben engagiert darin, die nationalen und bundesstaatlichen Organisationen, die daran arbeiten, dies zu erreichen, zu unterstützen. Wir setzen uns für die Rechte und Sicherheit der LGBTQ+-Mitglieder der Disney Familie sowie der LGBTQ+-Gemeinschaft in Florida und im ganzen Land ein."

Anti-LGBTQ+-Gesetze nicht nur in Florida

Protest von Jugendlichen, die Regenbogenfahnen vor einem bewölkten Himmel schwenken.
An vielen Orten Floridas wurde gegen das "Don't Say Gay"-Gesetz demonstriert - wie hier an der Hillsborough High School von TampaBild: Octavio Jones/REUTERS

Das Gesetz in Florida ist nicht das einzige, das sich in den USA gegen schwule, lesbische und transsexuelle Menschen richtet. Laura Borchert arbeitet an der Justus-Liebig-Universität Gießen an einer Promotion zum verfassungsrechtlichen Schutz von sexueller Orientierung in den USA. Gegenüber der DW sagte sie, dass es immer mehr Anti-LGBTQ+-Gesetze gebe: "2022 ist jetzt schon das record-breaking year - also es bricht alle Rekorde. Es kommen immer mehr Gesetze dazu, und ein Ende des Trends ist noch nicht abzusehen."

Die Human Righs Campaign Foundation zählt für 2021 mehr als 250 Anti-LGBTQ+-Gesetze, von denen sich die Mehrheit auf Kinder und Jugendliche konzentriert. Zum Beispiel gibt es Gesetze oder Gesetzesentwürfe, die für Transpersonen den Zugang zum Sport regulieren. "Es geht darum, dass Personen nur in Sportmannschaften eintreten können, die ihrem biologischen, also ihrem zugewiesenen Geschlecht zum Zeitpunkt der Geburt entsprechen", so Borchert. 

Angst als Motor von Gesetzesnovellen

Bestrebungen, ihre konservative Linie in gesellschaftspolitischen Fragen durchzusetzen, gibt es auch in anderen republikanisch geführten Bundesländern - beispielsweise in Texas. Dort soll das Personal an Bibliotheken, wie NBC News berichtete, präventiv Bücher zurückziehen, die dem dortigen Gouverneur Greg Abbott ein Dorn im Auge sein könnten. Dazu gehören laut der Tageszeitung "New York Times" hauptsächlich Coming-of-Age-Geschichten, deren Protagonist oder Protagonistin zur LGBTQ+-Community zählt. Für Abbott sind derartige Bücher "pornografisch", darum möchte er ihre Weitergabe unter Strafe stellen. Dahinter steht die Angst der Beeinflussung; die Angst, dass Kinder, "wenn sie ein Buch lesen, den Inhalt aufnehmen und dann homosexuell werden oder trans", sagte die Gießener Wissenschaftlerin. 

Maßnahmen wie diese sollen nach der Meinung ihrer Befürworter dem kindlichen Schutz dienen. So auch Floridas "Don't Say Gay"-Gesetz: "Das Verbot, über sexuelle Orientierung und Genderidentität zu unterrichten, ist natürlich abstrus - weil, wenn wir das wörtlich nehmen, würde ja sexuelle Orientierung eben auch heterosexuelle Orientierung einschließen." Borcherts Meinung nach gehe es deshalb "nicht darum, Kinder zu schützen, sondern es geht darum, speziell nicht über nicht-normative Sexualitäten aufzuklären."  

Walt Disney: Erst seit Kurzem offiziell pro LGBTQ+

Micky Maus vor dem Schloss von Disney World und blauem, leicht bewölktem Himmel.
Sollte Ron DeSantis unterschreiben, wird der Sonderstatus des Vergnügungsparks "Disney World" in Orlando 2023 auslaufenBild: John Angelillo/newscom/picture alliance

Dass sich das "House of Mouse" (auf Deutsch: "Haus der Maus"), wie der Disney-Konzern gelegentlich nach seinem Maskottchen Micky Maus genannt wird, öffentlich gegen das neue Schulgesetz in Florida wendet, war zunächst nicht erwartet worden. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, soll Druck der Belegschaft ausschlaggebend für das Statement auf Twitter vom 28. März 2022 gewesen sein. Das glaubt auch Laura Borchert.

Walt Disney betreibt in Orlando seinen weltberühmten Vergnügungspark "Disney World" - ein großer Arbeitgeber in Florida. Der Park liegt im Reedy Creek Improvement District, einem Bezirk, der 1967 durch Floridas Parlament mit einem Sonderstatus versehen worden war: Das Gebiet, das in etwa hundert Quadratkilometer groß ist und zwei Städte umfasst, wird von Disney regiert. Das heißt, der Konzern treibt dort Steuern ein und ist zuständig für die Grundversorgung der Bürger, beispielsweise für die Müllabfuhr und die Abwasser-Wiederaufbereitung. 

Wenige queere Charaktere in Disney-Produktionen

Historisch gesehen hat sich Disney nicht auffallend eingebracht für die queere Gemeinschaft in den USA - im Gegenteil. Laut Laura Borchert waren Disney-Produktionen insgesamt eher daran beteiligt, heterosexuelle Hierarchien aufrechtzuerhalten. Das anfängliche Schweigen von Disney in Florida nach der Verabschiedung des "Don't Say Gay"-Gesetzes habe Disney-Chef Bob Chapek zunächst damit gerechtfertigt, inzwischen Serien wie "Modern Family" - eine Comedy, die schwule Charaktere enthält -, im Programm zu haben. Es ist überliefert, dass er mitteilte, über Produktionen für Diversität im Land einzutreten und nicht über politische Statements.

Film "Onward": erster Film mit lesbischer Rolle

Der von der Disney-Tocher Pixar produzierte Film "Onward: Keine halben Sachen" von 2020 gilt als erster Disney-Film, in dem - allerdings dem Zufall geschuldet - ein lesbischer Charakter auftritt. Eine Diskussion, ob es sich dabei um ein "falsches Rollenbild" handeln könnte, blieb in der Folge nicht aus. 

Die User von sozialen Medien reagieren gespalten auf den Konflikt zwischen Florida und Disney: Während einige wie Twitter-Nutzer Dannie D zu Disney halten, gibt es andere, die unter dem Hashtag #BoycottDisney Stimmung gegen den Konzern machen. Allerdings blieb es nicht bei Protesten in sozialen Netzwerken. In Burbank, einem Stadtteil von Los Angeles, wo sich die Walt Disney-Studios befinden, und auch vor Disney World in Orlando, gab es Demonstrationen von Befürwortern der "Don't Say Gay"-Bill.  

Doch zur polarisierten Gesellschaft der Vereinigten Staaten gehört auch, dass es - wie etwa in Colorado seit 2019 - Gesetze gibt, die öffentliche Schulen zur "umfassenden Aufklärung über menschliche Sexualität" verpflichten. Derartige Regelungen existieren auch im als liberal geltenden Kalifornien und in New Jersey.