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KonflikteChina

Görlach Global: Kriegstreiberei in China 2024

Alexander Görlach - Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Alexander Görlach
1. Januar 2024

Das Verhältnis zwischen China und Taiwan ist extrem angespannt. Peking droht mit einer Invasion des demokratischen Inselstaates. Die Zeichen stehen 2024 auf Krieg, meint Alexander Görlach.

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Ein Mann vor einem roten Vorhang spricht in vier Mikrofone, davor Blumen: Chinas Präsident Xi Jinping während seiner Neujahrsansprache
Eine Botschaft, die martialisch verstanden werden kann: Chinas Präsident Xi Jinping während seiner Neujahrsansprache Bild: Yao Dawei/Xinhua News Agency/picture alliance

Chinas Machthaber Xi Jinping hat in seiner Neujahrsansprache mächtig ins Kriegshorn geblasen: Sicherlich, so der Diktator, werde Taiwan mit der Volksrepublik "wiedervereint". Ein Datum dafür nannte Xi nicht, allerdings könnte das nun beginnende Jahr bereits den Angriff der chinesischen Armee auf das demokratische Land sehen. Denn dort wird am 13. Januar gewählt und Pekings Staatsmedien haben bereits deutlich gemacht, dass sie vom voraussichtlichen Wahlsieger nichts halten.

Lai Ching-te, Mitglied der regierenden Demokratischen Partei Taiwans und derzeit stellvertretender Präsident des Landes, wird von Pekings Medien als "Zerstörer des Friedens" gebrandmarkt. Sein Vergehen ist, dass er in einer Fernsehdebatte erklärte, dass Taiwan und China jederzeit miteinander sprechen könnten, allerdings auf Augenhöhe. Zudem erklärt Lai, dass Taiwan - anders als von Xi behauptet - seit 1912 ein souveränes Land ist. Damals wurde die Republik China gegründet, deren letztes verbliebenes Territorium Taiwan mit einigen kleineren Inseln in seiner Umgebung ist.

Ein Mann steht lächelnd vor einer Wand und verschränkt die Arme (Alexander Görlach, DW-Autor)
DW-Kolumnist Alexander GörlachBild: privat

Dass Xi schon zum Jahreswechsel eine Invasion Taiwans ins Gespräch bringt, setzt den Ton und zeigt, wie sehr der Machthaber unter Druck ist.

Die Jugendarbeitslosigkeit in der Volksrepublik ist wegen Xis verfehlter Politik so hoch wie noch nie. Der Machthaber hat den Erwerbslosen geraten, aufs Land zu ziehen und in der Landwirtschaft zu arbeiten. Damit hat er ein Rezept aus der Mao-Zeit aufgewärmt, das bei der Jugend bislang nicht verfangen hat. Ein Beitrag zur Problemlösung ist diese Empfehlung nicht. Dazu kommt die geplatzte chinesische Immobilienblase: Abertausende Menschen fürchten um ihre Spareinlagen oder um Anzahlungen, die sie für Wohnungen geleistet haben, die nun womöglich nicht mehr gebaut werden. Das volle Ausmaß des Schadens wird wohl erst in diesem Jahr deutlich.

Es geht um Taiwan - und um Chinas Innenpolitik

In einer solchen Situation neigen Diktatoren dazu, die eigene Bevölkerung rigider zu überwachen und gleichzeitig durch einen Krieg Solidarität und geschlossene Reihen zu erzwingen. Mit dem Waffengang wollen sie vom eigenen Versagen ablenken.

Und so beginnt das neue Jahr für die Welt mit der Aussicht auf einen weiteren Kriegsschauplatz in Ostasien. Xi Jinping, das soll sein Auftritt zum Jahreswechsel sagen, ist bereit, Taiwan anzugreifen, falls die demokratische Wahl am 13. Januar wie geplant auf der Insel stattfindet. Lai Ching-te führt in den Umfragen, sein Wahlsieg kann als wahrscheinlich gelten.

Drei Männer in einem Fernsehstudio - die beiden links und rechts Stehenden reichen sich vor dem Mann in der Mitte die Hand (Taiwan, Wahlkampf der Präsidentschaftskandidaten, TV-Debatte)
Wahlkampf: TV-Debatte der drei Präsidentschaftskandidaten in Taiwan, links der Favorit Lai Ching-teBild: Pei Chen/AP/picture alliance

Alles wird dann an den Vereinigten Staaten von Amerika hängen, die Taiwans engster Verbündeter sind. US-Präsident Joe Biden hat bereits mehrfach angekündigt, im Falle eines Angriffskriegs auf Taiwan einzugreifen und die 24 Millionen Menschen auf der Insel zu verteidigen. Nach dem 13. Januar wird er dieses Versprechen vielleicht schon einlösen müssen.

Alexander Görlach ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs und Adjunct Professor an der Gallatin School der New York University, wo er Demokratietheorie unterrichtet. Nach Aufenthalten in Taiwan und Hongkong wurde diese Weltregion, besonders der Aufstieg Chinas und was er für die Demokratien in Asien bedeutet, zu seinem Kernthema. Er hatte verschiedene Positionen an der Harvard Universität und den Universitäten von Cambridge und Oxford inne. Alexander Görlach lebt in New York und in Berlin.