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PolitikAsien

Iran weiter unversöhnlich gegen Aktivisten

Shabnam von Hein
5. Januar 2022

Teheran geht weiter mit unverminderter Härte gegen Kritiker des iranischen Systems vor. Dazu gehören Isolationshaft und mangelnde medizinische Versorgung.

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Narges Mohammadi
Narges Mohammadi sitzt seit dem 16. November in IsolationshaftBild: Privat

Narges Mohammadi wusste, dass die Behörden nach einem Vorwand suchen, um sie möglich schnell wieder hinter Gitter zu bringen. Im Oktober 2020 war die Aktivistin freigelassen worden, nachdem sie wegen ihres friedlichen Einsatzes für die Menschenrechte im Iran fünfeinhalb Jahre im Gefängnis gesessen hatte. "Ich werde weitermachen und lasse mich nicht einschüchtern", hatte Mohammadi im September in einem Gespräch mit der DW gesagt. 

Nach ihrer Freilassung schrieb sie ein Buch und produzierte einen Dokumentarfilm über die psychische Folter politischer Gefangener in der Isolationshaft, auf der Grundlage von Zeugnissen Betroffener. Im Mai 2021 kam die Reaktion: Mohammadi wurde unter anderem wegen "Verbreitung von Propaganda gegen den Staat" zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie blieb aber zunächst auf freiem Fuß. "Narges Mohammadi befindet sich inzwischen seit 50 Tagen in Isolationshaft", sagte ihr Ehemann Taghi Rahmani am Dienstag im Gespräch mit der DW. "Mit mir und unseren Kindern darf sie nicht reden. Sie durfte nur zweimal mit ihrem Bruder telefonieren, jeweils für drei Minuten. Wir sind sehr besorgt um ihre Gesundheit."

"Wie lange kann Narges Mohammadi noch durchhalten?"

Taghi Rahmani lebt als Schriftsteller und politischer Journalist im Pariser Exil. 2012 hatte er den Iran illegal verlassen. Seine Frau wollte ihn nicht ins Exil begleiten. Sie entschied sich dafür, weiterhin im Iran gegen Willkürjustiz, für Meinungsfreiheit und für ein unabhängiges Justizwesen zu kämpfen. Mohammadi ist vor allem wegen ihres Einsatzes für die Abschaffung der Todesstrafe bekannt und ist Vizepräsidentin des iranischen Zentrums der Menschenrechtsverteidiger.

2015 wurde sie verhaftet und wegen "Gründung einer illegalen Organisation" zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihre inzwischen 17-jährigen Zwillinge Ali und Kia schickte sie zu ihrem Vater und hat sie seitdem nicht mehr getroffen. In der Haft bekam sie nur selten die Erlaubnis, mit ihnen zu telefonieren. 

"Ich weiß nicht, wie lange sie noch durchhält", sorgt sich ihr Mann. Die 13 Monate Freiheit endeten für Narges Mohammadi am 16. November vergangenen Jahres. An diesem Tag wurde sie von zivilen Mitarbeitern des Geheimdienstes, die sie schon länger beschattet hatten, mit brutaler Gewaltanwendung festgenommen. Tags drauf teilte sie ihrer Familie telefonisch mit, dass sie sich im Evin-Gefängnis in Teheran befinde und dort ihre Haftstrafe absitzen müsse. "Eigentlich liegt alles auf dem Tisch; es gibt keinen Grund für Vernehmung in der Isolationshaft", sagt Ehemann Rahmani. Er kennt das iranische Justizsystem, da er dort insgesamt 14 Jahre hinter Gittern verbracht hat.

"Infektion absichtlich ignoriert"

Mohammadi leidet an einem Blutgerinnsel in ihren Lungen und an einer neurologischen Erkrankung und braucht ständige medizinische Versorgung. Die wird politischen Gefangenen im Iran häufig verweigert. Das zeigen in diesem erst wenige Tage alten Jahr zwei Fälle:

So liegt der inhaftierte Schriftsteller Baktash Abtin seit dem 1. Januar im Koma. Mit einer akuten Lungenentzündung, die möglicherweise mit einer Corona-Infektion in Verbindung steht, wurde der 47 Jahre alte Schriftsteller zum Jahresbeginn ins Krankenhaus eingeliefert. Viel zu spät, teilte der iranische Schriftstellerverband in einem Statement mit. Die Gefängnisbehörden sollen seine Beschwerden zu lange absichtlich ignoriert haben. Auch Baktash wurde wegen angeblicher "Propaganda gegen den Staat" zu sechs Jahren Haft verurteilt und ist seit September 2020 im Teheraner Evin-Gefängnis eingesperrt. 

Ebenfalls am Neujahrstag wurde offiziell mitgeteilt, dass der politische Gefangene Adel Kianpour kurz nach seiner Verlegung ins Krankenhaus gestorben sei. Er starb nach einer Woche Hungerstreik in einem Gefängnis im Süden des Irans, laut seiner Familie wegen mangelnder medizinischer Versorgung. Kianpour war wegen "Gefährdung der nationalen Sicherheit" zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Mit seinem Hungerstreik protestierte er dagegen, dass ihm nach seiner Verhaftung rechtlicher Beistand verweigert wurde.