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Israel-Hamas-Konflikt: Droht ein Energiepreisschock?

Mischa Ehrhardt
12. Oktober 2023

Die Energiemärkte haben nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel mit deutlichen Preissprüngen reagiert. Einen Energiepreisschock aber sehen die meisten Experten nicht kommen.

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Ölfeld der Firma KOC Kuwait Oil Company
Bild: Ysser Al-Zayyat/AFP

Nach dem großangelegten Terrorangriff der Hamas auf Israel haben die Rohstoffmärkte zu Wochenbeginn mit deutlich steigenden Ölpreisen reagiert. Doch mittlerweile hat sich die Lage an den Märkten wieder beruhigt, die Notierungen sind in etwa wieder auf das Niveau von vor dem Wochenende zurückgekehrt. Offenbar sehen Marktteilnehmer aktuell nicht die Gefahr, dass in den Krieg noch andere Staaten hineingezogen werden. Die israelische Regierung hatte am Sonntag nach den Terror-Angriffen den Kriegszustand erklärt.

"Ich habe nicht den Eindruck, dass der Iran oder andere Staaten Israel offen angreifen wollen. Das spricht gegen eine große Eskalation", sagte Jörg Krämer gegenüber DW. Er ist Chefvolkswirt der Commerzbank. "Der Markt teilt offenbar diese Einschätzung, wie man an der moderaten Reaktion der Ölpreise ablesen kann."

Da aber mehr als ein Drittel des weltweiten Erdölhandels per Schiff auf den Nahen Osten entfällt, verfolgten die Märkte die Lage weiter gespannt, auch wenn es keine direkten Auswirkungen auf das Ölangebot bisher gab, hieß es von der Internationalen Energieagentur (IEA). Der Nahostkonflikt sei voller Ungewissheit und die Ereignisse überschlügen sich, meinte die IEA.

Der Ölpreisschock vor 50 Jahren

Investoren gehen dennoch zurzeit nicht davon aus, dass sich die Situation von vor 50 Jahren wiederholen wird. Damals, im Oktober 1973, hatten Ägypten und Syrien Israel angegriffen. Es folgten die Tage des Jom-Kippur-Krieges. Die Spannungen erhöhten sich und einige arabische Staaten setzten den Ölpreis ein, um Druck auf westliche Industrieländer wie Deutschland auszuüben, die von niedrigen Ölpreisen abhängig waren.

Geschwindigkeitsbegrenzungen von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und autofreie Sonntage - das waren einige der Maßnahmen, die die Bundesregierung schließlich im Herbst 1973 beschlossen hatte, nachdem die Ölpreise wegen Förderkürzungen im Nahen Osten um rund 70 Prozent in die Höhe geschossen waren. "Heute ist die arabische Welt kein Block mehr, es gibt große Spannungen in der Region - etwa zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Deswegen dürfte es nicht zum Äußersten kommen, der Ölpreis wird wohl nicht wie damals in die Höhe schießen", so Jörg Krämer.

Welche Rolle spielt Iran?

Allerdings könnte sich das ändern, sollte der Iran in den Konflikt hineingezogen werden. Denn das Land unterstützt die Hamas finanziell. "Sollte sich eine Mittäterschaft des Iran abzeichnen, könnten über den Ölpreis spürbare Auswirkungen auf die Weltkonjunktur folgen", befürchtet Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis. Bei der IWF-Herbsttagung in Marrakesch unterstrich Schleweis, dass die Weltwirtschaft ohnehin gerade eine Schwächephase durchlaufe. "Zu den schon bestehenden geopolitischen Unsicherheiten kommt jetzt auch noch der terroristische Angriff der Hamas auf Israel hinzu. Vieles wird davon abhängen, ob dieser schreckliche Krieg regional begrenzt werden kann."

Ölanlage Tanadschib von Saudi Aramco im Persischen Golf
Ölanlage Tanadschib von Saudi Aramco im Persischen Golf Bild: Saudi Aramco/dpa/picture alliance

Die USA hatten 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump Sanktionen gegen den Iran Sanktionen verhängt und damit die Erdölexporte des Landes eingeschränkt. Nach Amtsantritt von US-Präsident Joe Biden sind die iranischen Ölexporte wieder deutlich gestiegen. Biden will das Atomabkommen von 2015 mit Teheran wiederbeleben. Für das Regulieren und die Kontrolle der iranischen Atomanlagen winkt eine Lockerung der Sanktionen gegen den Iran.

Ölpreis bald wieder über 100 Dollar? 

Mittlerweile exportiert der Iran wieder so viel Öl wie seit fünf Jahren nicht mehr. Zudem haben die Amerikaner ihre Ölproduktion hochgefahren, mittlerweile produzieren die USA wieder soviel Öl wie zu Zeiten vor der Corona-Pandemie. Gleichzeitig drückt die schwächelnde Weltkonjunktur die Nachfrage am Ölmarkt. All diese Faktoren zusammen sorgen aktuell dafür, dass die Ölnotierungen nicht weiter steigen. Nebenbei kommen diese Entwicklungen auch westlichen Regierungen entgegen, die mit dem Problem einer hohen Inflation zu schaffen haben.

Sollte sich der Krieg allerdings ausweiten, sehen viele Rohstoffexperten den Ölpreis auch schnell wieder über die Marke von 100 Dollar pro Barrel ansteigen. Denn sollte der Iran involviert sein, könnte das zur Sperrung der Straße von Hormus führen. Zwischen Persischem Golf und dem Golf von Oman gelegen, ist das die wichtigste Seeroute für den weltweiten Öltransport. Rund ein Drittel des weltweit per Schiff transportieren Öls passiert diese Meerenge an der Küste des Iran.

Karte VAE Straße von Hormus DE

Gaspreise legen deutlich zu

Anders als die Ölpreise sind die Gaspreise an den Rohstoffmärkten in den vergangenen Tagen nicht wieder nennenswert nach unten gegangen - hier gibt es Preissprünge am aktuellen Spotmarkt um bis zu 40 Prozent. Das allerdings hat mehrere Ursachen. Zum einen hat Israel ein Gasfeld schließen lassen, das rund 20 Kilometer entfernt vom Gaza-Streifen im Mittelmeer liegt. Zum andere reagieren die Gasmärkte auch verunsichert, weil am Sonntag eine Gaspipeline zwischen Finnland und Estland wegen eines Druckabfalls geschlossen wurde. Und schließlich sollen in Australien LNG-Flüssiggas-Anlagen des Energiekonzerns Chevron zwei Wochen lang bestreikt werden.

Allerdings rechnen Rohstoffanalysten damit, dass sich auch am Gasmarkt die Lage wieder beruhigen sollte, sobald diese temporären Unsicherheiten vorüber sind. Für Verbraucher spielen solche Schwankungen an den Gasmärkten übrigens erst einmal keine große Rolle, wenn sie zeitlich begrenzt sind. Denn Stadtwerke und Gasversorger sichern sich durch langfristige Lieferverträge gegen solche Schwankungen ab.