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HandelKenia

Handelsabkommen Kenia - EU: Eine Win-Win-Situation?

Kate Hairsine
22. Juni 2023

Kenia und die Europäische Union haben ein Freihandelsabkommen abgeschlossen. Das ostafrikanische Land setzt auch auf Länder außerhalb Afrikas, um seine Wirtschaft anzukurbeln.

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Rosen-Farm in Kenia
Etwa 70 % der kenianischen Blumenproduktion werden in der Europäischen Union verkauftBild: Zhang Chen/Photoshot/picture alliance

Was ist das EU-Kenia-Handelsabkommen?

Nach seiner Ratifizierung seitens aller 27 EU-Staaten wird das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) zwischen der Europäischen Union und Kenia den EU-Markt für alle in Kenia hergestellten Produkte vollständig öffnen, mit Ausnahme von Waffen. Die Vereinbarung garantiert zoll- und kontingentfreien Zugang für Waren, die in Kenia hergestellt werden.

Schon jetzt ist die EU der wichtigste Exportmarkt und zweitgrößte Handelspartner des ostafrikanischen Landes. Im Jahr 2022 exportierte Kenia hauptsächlich landwirtschaftliche Produkte im Wert von 1,2 Milliarden Euro in die EU, darunter Tee, Kaffee, Schnittblumen, Erbsen und Bohnen. Über zwei Drittel der gesamten Blumenproduktion Kenias werden auf dem europäischen Markt verkauft.

EU Kenia | William Ruto und Charles Michel
Kenias Präsident William Ruto (links), hier mit dem Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel, besuchte Brüssel im MärzBild: Virginia Mayo/AP Photo/picture alliance

Die größte Volkswirtschaft Ostafrikas wird ihrerseits ihren eigenen Markt "schritt- und teilweise" für europäische Waren öffnen. Im Rahmen der Vereinbarung sollen Zölle über einen Zeitraum von 25 Jahren schrittweise abgebaut werden. Derzeit importiert Kenia hauptsächlich Maschinen sowie Mineral- und Chemieprodukte aus der EU.

Kenia solle es weiterhin erlaubt sein, bestimmte, sogenannte "sensible Produkte" mit Importzöllen zu belegen oder Schutzmaßnahmen zu erheben, falls es zu einem plötzlichen Anstieg der Importe dieser sensiblen Produkte aus der EU kommt.

Kenia Gewächshaus mit Arbeiterinnen für den Rosen-Anbau
Kenia exportiert vor allem landwirtschaftliche Produkte nach Europa Bild: PATRICK MEINHARDT/AFP via Getty Images

Das EPA ist das erste umfassende Handelsabkommen zwischen der EU und einem afrikanischen Land, seit die EU im Jahr 2016 ein ähnliches Abkommen mit Ghana unterzeichnete. Seit Jahren nimmt der Handelsaustausch zwischen der EU und Kenia stetig zu: Zwischen 2018 und 2022 wuchs er um 27 Prozent. "Dadurch gelangt mehr Geld in die Taschen der kenianischen Händler. Dieser verstärkte Handelsaustausch verankert Kenia als natürlichen Knotenpunkt für EU-Produkte in den ostafrikanischen Staaten", sagte der kenianische Präsident William Ruto bei einer Zeremonie anlässlich des offiziellen Abschlusses der Verhandlungen am Montag.

Was bedeutet das EPA für Kenia?

"Das Abkommen kommt zum richtigen Zeitpunkt. Es kann dazu beitragen, die gehandelten Produkte und Handelspartner Kenias innerhalb der EU zu diversifizieren", sagt Sherillyn Raga, Forschungsmitarbeiterin beim globalen Think Tank ODI. Die Niederlande, Deutschland und Frankreich seien derzeit die wichtigsten Ziele für EU-Importe aus Kenia, fügt Raga hinzu.

Die Welt habe mehrere wirtschaftliche Schocks erlebt, angefangen mit der Coronapandemie über die Auswirkungen des Angriffs Russlands auf die Ukraine bis hin zum Klimawandel. "Wenn die Handelsstruktur eines Landes sehr stark auf eine begrenzte Anzahl von Partnern oder Produkten konzentriert ist, ist dieses Land sehr anfällig für starke globale Preisschwankungen", so die Expertin für Makroökonomie und Handel im DW-Gespräch. Eine Diversifizierung des Handels werde Kenia widerstandsfähiger machen.

Kaffeebohnen in Kenia
Kaffee ist eines der Exportprodukte Kenias: Deutschland, die Niederlande und Frankreich sind die HauptabnehmerBild: Ute Grabowsky/photothek/picture alliance

Viel werde sich für Kenias Exporte in die EU kurzfristig allerdings nicht verändern: Denn das Land genieße schon jetzt einen zoll- und kontingentfreien Handel mit der EU im Rahmen einer zeitlich begrenzten Sondervereinbarung, die 2014 geschlossen wurde, nachdem eine Vereinbarung, die die EU mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) ausgehandelt hatte, ins Stocken geraten war.

Vor allem gehe es mit dem neuen Abkommen darum, Kenias Marktzugang zur EU formell abzusichern und somit "Unsicherheiten zu reduzieren", schätzt der Ökonom Frederik Stender, der zu Fragen der Handelspolitik und regionalen wirtschaftlichen Integration am Deutschen Institut für Entwicklung und Nachhaltigkeit forscht. Diese Rechtsicherheit wiederum könnte mittelfristig mehr Investoren aus der EU nach Kenia locken, so Stenders Erwartung.

Teeernte in Kenia
Teeernte in Kenia: Ein Großteil der Produktion geht nach Europa und in die Vereinigten Arabischen EmirateBild: Billy Mutai/AA/picture alliance

Bemerkenswerterweise gehe es bei dem EU-Handelsabkommen nicht nur um Handel. Es enthalte auch "eine entwicklungspolitische Perspektive" für Kenia, so Stender weiter. Kenia habe sich dazu verpflichtet, verbindliche Zusagen im Zusammenhang mit Umweltschutz, Klimaschutz, Bekämpfung der Geschlechterungleichheit und Stärkung der Arbeitsrechte umzusetzen.

Die Vereinbarung umfasse auch handelsbezogene Entwicklungshilfemaßnahmen, um einigen Faktoren zu begegnen, die Kenias Exporte einschränken, wie etwa fehlende Produktionskapazitäten, mangelnde Infrastrukturen oder Schwierigkeiten bei der Einhaltung von EU-Standards. "Diese entwicklungspolitischen Elemente sollen den kenianischen Exporteuren helfen, einige der Schwierigkeiten zu überwinden, mit denen sie beim Handel mit der EU konfrontiert sind. Dies wiederum soll dazu beitragen, dass Kenia besser in die Wertschöpfungsketten der EU integriert wird", so Stender.

Warum hat Kenia das EU-Abkommen allein geschlossen?

Im Jahr 2014 hatten die Mitglieder der EAC - damals bestehend aus Kenia, Ruanda, Burundi, Tansania und Uganda - ein Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union ausgehandelt. Aber nur Kenia hatte das Abkommen in der Folge ratifiziert. Ohne die Unterschriften der anderen EAC-Mitglieder, zu denen inzwischen auch die Demokratische Republik Kongo und Südsudan gehören, konnte das Freihandelsabkommen EU-EAC nicht in Kraft treten.

Es liegt nahe, dass die anderen EAC-Mitglieder es nicht als dringend notwendig ansahen, das gemeinsame Abkommen zu ratifizieren, da sie - als sogenannte "am wenigsten entwickelte Länder" (LDC) - bereits kontingentfreien Zugang zum EU-Markt genossen. Für Kenia, das etwa zur gleichen Zeit in die Gruppe der Volkswirtschaften mit mittlerem Einkommen aufgestiegen, fiel dieser Weg aber weg. Anfang 2021 stimmten die Staatsoberhäupter der EAC zu, denjenigen Mitgliedern, die das EU-Handelsabkommen umsetzen möchten, zu erlauben, direkt mit Brüssel zu verhandeln. Und das tat Kenia auch.

Kenia Gewächshaus mit Arbeiterinnen für den Rosen-Anbau
Kenia: Gewächshaus mit Arbeiterinnen für den Rosen-Anbau. Ohne Handelsbarrieren auf den europäischen MarktBild: YASUYOSHI CHIBA/AFP via Getty Images

Wie steht es um Kenias andere Handelsabkommen?

Der langsame Fortschritt der regionalen Integration in Afrika ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum Kenia das EU-Handelsabkommen ausgehandelt hat und vorhat, weitere Abkommen abzuschließen. 2019 trat die Afrikanische kontinentale Freihandelszone (AfCFTA) in Kraft, ihre operative Phase begann 2021, aber bisher haben nur einige Länder, darunter auch Kenia, in einer Pilotphase vorläufig den Handel mit ausgewählten Waren im Rahmen des Abkommens aufgenommen.

Vor diesem Hintergrund sucht Kenia offenbar nach einer engeren Integration mit anderen Partnern außerhalb Afrikas. Im Dezember 2020, als Großbritannien aus der EU austrat, unterzeichnete das Land ein ähnliches Handelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich. Zurzeit laufen auch Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten, das nächstes Jahr unterzeichnet werden könnte.

Eine Absichtserklärung zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten besteht seit Juli 2022. Wenn eine Vereinbarung abgeschlossen wird, wäre dies das erste bilaterale Handelsabkommen, das die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit einem afrikanischen Land schließen. Als einer der bedeutendsten Exportpartner Kenias gelten die Emirate vor allem als Eingangstor für Handelspartner und Investoren aus dem Nahen Osten.

Kenia exportiert vor allem Tee, Schaf- und Ziegenfleisch in die VAE. Der Handel zwischen den beiden Ländern ist derzeit von einer massiven Handelsungleichheit zuungunsten Kenias geprägt. "Kenia tut sein Bestes, um Abkommen mit Ländern außerhalb Afrikas zu schließen, mit dem Ziel, die Exporte zu steigern und die Handelspartner zu diversifizieren", sagt die Expertin Sherillyn Raga und fügt hinzu, dass dies umso wichtiger sei, als die Anfälligkeit Kenias gegenüber externen Schocks dringend verringert und die wirtschaftliche Stabilität des Landes gefördert werden müsse.

Adaption aus dem Englischen: António Cascais

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