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KonflikteKosovo

Kosovo warnt vor neuem Krieg auf dem Balkan

2. Oktober 2023

Diese Gefahr sieht Außenministerin Gervalla-Schwarz angesichts der jüngsten Gewalteskalation im serbisch dominierten Norden des Kosovo. Auch die NATO ist alarmiert und verstärkt die KFOR-Truppe um 200 britische Soldaten.

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Sichergestellte Waffen und Munition nach der Attacke in dem Dorf Banjska im Norden des Kosovo
Sichergestellte Waffen und Munition nach der Attacke in dem Dorf Banjska im Norden des Kosovo Bild: Office of the Kosovo police

Im Zusammenhang mit den wieder aufgeflammten Spannungen in ihrem Land warnt die kosovarische Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz vor einem neuen Krieg auf dem Balkan. "Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben", sagte sie im öffentlich-rechtlichen Radiosender Deutschlandfunk. Gervalla-Schwarz betonte weiter, Serbien wolle Tatsachen schaffen, um das Kosovo dazu zu zwingen, in Brüssel über territoriale Fragen zu verhandeln. "Zum Glück ist der Versuch vor acht Tagen gescheitert, aber wir wissen nicht, was die Pläne für die Zukunft sind." Sie forderte deshalb die EU auf, den serbischen Status als Beitrittskandidat einzufrieren und Geldzahlungen zu stoppen. Das Vorgehen Serbiens erinnere an dasjenige von Russland vor der Invasion in die Ukraine.

Donika Gervalla-Schwarz, die Außenministerin von Kosovo
Kosovos Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz: "Toleriert die internationale Gemeinschaft das Vorgehen Serbiens, wird es einen Krieg geben." Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Vor etwa einer Woche hatten 30 bewaffnete Männer in dem Dorf Banjska unweit der Grenze zu Serbien das Feuer auf kosovarische Polizisten eröffnet. Nach Polizeiangaben wurden bei den Schusswechseln ein Polizist und drei serbische Angreifer getötet. Seit dem Zwischenfall hatte es Berichte über eine serbische Truppenkonzentration an der Grenze gegeben.

Angst vor weiterer Eskalation im Norden Kosovos

Kurti: Es gab Übungen serbischer Paramilitärs

Der kosovarische Regierungschef Albin Kurti warf Serbien mit Blick auf die Zusammenstöße unterdessen vor, den serbisch dominierten Norden des Kosovo annektieren zu wollen. Die Polizei habe Dokumente beschlagnahmt, aus denen hervorgehe, dass der "terroristische" Angriff in Banjska "Teil eines größeren Plans zur Annexion des Nordens des Kosovo" gewesen sei. Die Einrichtung eines Korridors nach Serbien wäre der nächste Schritt gewesen, "um die Versorgung mit Waffen und Soldaten zu ermöglichen", schrieb Kurti im Onlinedienst X.

Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti
Der kosovarische Ministerpräsident Albin Kurti in einem DW-Interview im September 2023Bild: Bekim Shehu/DW

Kurti präsentierte dort auch Drohnenaufnahmen, die Übungen serbischer Paramilitärs zeigen sollen. "Die Angriffe (auf kosovarische Polizisten) geschahen mit voller Unterstützung und Planung des serbischen Staats", schrieb Kurti weiter. Die Aufnahmen wurde laut dem kosovarischen Innenminister Xhelal Svecla von den "serbischen Aggressoren" selber gemacht, und Kosovos Polizei habe diese zusammen mit Waffen sichergestellt.

Die Übungen hätten an der grenznahen serbischen Militärbasis Kopaonik stattgefunden sowie in Pasuljanske Livade, einem der größten Truppenübungsplätze Serbiens. Zudem hätten Übungen auf einem Grundstück stattgefunden, das dem kosovo-serbischen Politiker und Geschäftsmann Milan Radoicic gehört. Dieser hatte bekannt, an dem Überfall auf die kosovarischen Polizisten beteiligt gewesen zu sein.

Mojsilovic: Soldatenzahl wieder auf "normalem" Niveau

Serbien seinerseits versicherte inzwischen, die Zahl der Soldaten an der Grenze zum Kosovo sei wieder auf einem "normalen" Niveau. Generalstabschef Milan Mojsilovic erklärte vor Journalisten in Belgrad, die Zahl sei von 8350 auf 4500 verringert worden.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte Serbien zuvor erneut zum Einlenken aufgefordert. "Die Truppen an der Grenze müssen von Seiten Serbiens reduziert werden", sagte sie in Kiew. Dies sei die einheitliche Meinung der 27 EU-Außenministerinnen- und -Außenminister bei ihrem informellen Treffen in der ukrainischen Hauptstadt.

Der serbische Generalstabschef Milan Mojsilovic
Der serbische Generalstabschef Milan Mojsilovic: Zahl der Soldaten an Kosovo-Grenze von 8350 auf 4500 verringert Bild: Milos Miskov/AA/picture alliance

Im Kosovo sind derzeit etwa 3400 NATO-geführte KFOR-Soldaten stationiert. Angesichts der angespannten Lage entsendet die NATO rund 200 zusätzliche britische Soldaten in das Kosovo. Sie würden gemeinsam mit den 400 britischen Soldaten, die sich bereits zu Übungen im Kosovo befänden, dort im Rahmen der KFOR-Friedenstruppe stationiert, kündigte ein NATO-Sprecher an. Auch andere Verbündete würden ihre KFOR-Kontingente aufstocken.

Für mehr Bundeswehr in KFOR-Truppe - Pistorius wägt ab

Unterdessen sprachen sich Vertreter der drei in Deutschland regierenden Parteien - SPD, Grünen und FDP - für eine verstärkte Bundeswehr-Präsenz bei der KFOR-Friedenstruppe im Kosovo aus. "Deutschland sollte in Absprache mit den Verbündeten schnell prüfen, ob das KFOR-Mandat komplett ausgefüllt wird, und weitere Soldaten in den Kosovo entsenden", sagte der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag. Aus den Reihen der SPD forderte Außenpolitiker Adis Ahmetovic, das KFOR-Mandat mit mehr Streitkräften zu versehen.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius schloss eine mögliche Aufstockung des deutschen Kontingents nicht aus, sagte jedoch weiter: "Jetzt und heute definitiv nein. Es sein denn, es passiert etwas". Der SPD-Politiker betonte zugleich, man sei "sehr sehr schnell handlungsfähig", wenn es notwendig werden sollte.

Das zuletzt im Mai vom Bundestag verlängerte Mandat sieht bis zu 400 Einsatzkräfte vor. Derzeit zählen rund 80 Bundeswehr-Angehörige zur KFOR-Truppe. "Da ist also, ohne das Mandat verändern zu müssen, noch deutlich Luft nach oben", sagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Der Ausschuss behalte die Kosovo-Frage im Blick. "Sollte es also erforderlich werden, werden wir auch mehr dorthin verlegen."

sti/ehl (afp, dpa, rtr)